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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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sich auch was kosten lassen. Die Einzigartigkeit der Wurst, die Knirschigkeit des Spargels, die Würzung des Pestos: Glück im Alltag und das Bewußtsein, sich hin und wieder was wert zu sein, und jenen inneren Stimmen mal den Mund zuhalten zu dürfen, die einem die eigene Nichtigkeit und das Elend der Welt zuflüstern.
    Dekadenz ist, was gleichzeitig Spaß und ein schlechtes Gewissen macht. Darf auch verrückt sein, wie eine Schale Walderdbeeren zu zwölf Euro. Eine Schale von der Größe eines Moccatäßchens, aber der Duft! Manchmal muß sowas sein. Arm sind jene dran, die derlei Sünden alltäglich begehen. Sie
haben nichts davon. Das ist der Unterschied zwischen Dekadenz und Protz.
    Gut beraten sind jene Kleinmarkthallenkunden, die die Überlegenheit des Händlers anerkennen. Was dieser über sein Produkt nicht weiß, ist nicht wert, gewußt zu werden. Besserwisserei der Käufer fällt sehr unangenehm auf und wird nicht selten mit subtiler Frechheit beantwortet.
    Kann ich die Cantaloup heute abend essen? sagt die Dame und deutet auf eine Melone, die ganz eindeutig keine Cantaloup ist.
    Könne mir umtaufe! sagt der pfiffige marokkanische Verkäufer und grinst.
    Am demütigsten wird die Käuferin in der Samen-Zwiebel-und-Pflanzenabteilung am vorderen Eingang. Mit milder Verachtung schauen die erfahrenen Verkäuferinnen auf den Samentütchenkaufrausch.
    Wie groß is dann Ihne Ihr Gadde? Beschämt räumt man dann manches wieder aus dem Korb, bei den Zwiebeln hat man vor lauter Begeisterung über die verheißene Pracht auf dem Bildchen nicht nach dem Preis geguckt und zuckt an der Kasse zusammen.
    Die Halle durchmessend in gebotener Langsamkeit wächst immer von neuem (denn man vergißt ihn zwischendurch in den allfälligen Supermärkten) der liebevolle Respekt vor dem Essen. Deswegen soll sie bleiben, wie sie ist, denn so ein Ort ist sonst nirgends.
    Gerecht sind Knoblauch und Zwiebeln
    Man darf ihnen nichts verübeln.
    Sie behalten ihre Macht
    Bei jedem und über Nacht.

Verkannte Trösterin –
Lob der Suppe
    Auch diesen Rettungsversuch müssen wir mit dem Seufzer beginnen: Was sind das für Zeiten! Was sind das für Zeiten, in denen sich kaum einer schämt, den Magen seiner Gäste zum Auftakt eines Essens mit einem nassen, kalten Salat zu erschrecken. Essigsaures Blattwerk soll angeblich den Elektrolythaushalt des Körpers für die weitere Nahrungsaufnahme optimal vorbereiten, und da sieht man schon, wo das hinführt: Über die Menschen und das Essen wird geredet wie über eine neue Kaltwalzstraße oder einen pharmazeutischen Versuch.
    Der einzig richtige Beginn eines Essens ist die Suppe. Warm und widerstandslos schmiegt sie sich die Kehle hinunter in den Magen, sie umspült sanft seine Wände, mit jedem Löffel wächst das Gefühl der Zufriedenheit, ihre Würze macht neugierig auf das, was kommen soll, das darf dann meinetwegen ein Salat sein. Man ist jetzt gewappnet. Und wenn gar nichts mehr danach kam – auch diese Suppenzeiten gab es –, half sie beim Leben und beim Überleben.
    Mit der Suppe nämlich hat alles Leben begonnen, mit der Ursuppe, wie wir wissen, die war natürlich ziemlich heiß und unberechenbar. Die Menschen ahmen in allen Kulturen den Vorzeitenzustand nach und verleiben ihn sich ein. Es gibt Kulturen ohne Lachsmousse, ohne Mon Chéri, es soll sogar welche ohne Fischburger, Wachteleier oder Gastrokritiker geben: Kulturen ohne Suppe gibt es nicht. Mit ihr wird die Armut erträglich gemacht und der Reichtum demütig.
    Was sagt der Vorstandsvorsitzende auf die Frage nach seiner Leibspeise, nachdem er kurz und mürrisch der tausend immergleichen Menüs gedacht hat, durch die sich hindurchzuessen sein Schicksal ist? Na, was wird er antworten? Linsensuppe, wird er versonnen sagen oder: Kartoffelsuppe. Und die Fasern des glasierten Kalbsrückens werden noch in seinen teuren Zähnen hängen.
    Suppe war der Anfang, Suppe wird das Ende sein. Man sagt ja nicht zufällig, daß einer den Löffel abgegeben habe und nicht, wie es doch heutzutage viel einleuchtender wäre, das Messer aus der Hand. Es ist zur Zeit Mode, sich der Suppe schreibend zu nähern, leider nicht in der ihr angemessenen entweder klaren oder gebundenen Sprache. Da wird sie in einem Blatt als »Geliebte des Magens« bezeichnet, was natürlich ein Schmarren ist, denn

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