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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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die Luft, und Marikani hatte getrunken. Als die beiden ersten Monde über dem Sternbild des Rades aufstiegen, versuchte der Herr der Verbannten, sie auf das Boot mitzuziehen, auf dem sein Zelt stand, aber obwohl Marikani weiter lächelte - und sogar lachte -, ließ sie sich nicht übertölpeln.
    Arekh zögerte noch einzugreifen, als in der Nähe eines Pontons im Süden etwas klatschend im Wasser landete. Sofort kam das Gelächter zum Erliegen, und die Verbannten spannten sich an. Aber es war nur ein nach Reyneser Mode gekleideter Mann, den Arekh schon bei ihrem Aufbruch aus der Botschaft dort gesehen hatte.
    Der Mann watete durch den Joar geradewegs auf sie zu; das Wasser reichte ihm bis zur Brust, als er das Boot erreichte.

    Er gab Marikani ein Bambusröllchen und macht dann kehrt, um leicht lächerlich zurück zum Ponton zu stapfen.
    »Wenn man in dieser Stadt den Boten spielt, muss man schwimmen können«, sagte die rothaarige Frau hinter ihnen.
    Kurzes Schweigen trat ein, während Marikani den Zylinder öffnete, das Siegel des Ratsherrn Viennes brach und die Botschaft las.
    Sie reichte sie an Arekh weiter.
    Teuerste Freundin , schrieb der Ratsherr in dem blumigen Stil, der dazu diente, Informationen für den Fall zu verschleiern, dass Botschaften abgefangen wurden, alles läuft in unserer Angelegenheit ganz wie vorgesehen ab. Ich wollte Euch nur wissen lassen, dass ein Mitglied unseres Personals im Anschluss an unser Gespräch verschwunden ist; daher rate ich Euch, Euch äußerst vorsichtig zu verhalten.
    Arekh sah sich um. Die Nacht wirkte noch immer unschuldig. Und dennoch konnte man, wenn ein Angestellter der Botschaft verschwunden war, davon ausgehen, dass die Repräsentanten des Emirs in der Stadt mittlerweile auf dem Laufenden über ihr Gespräch waren - und dass bald ein wenig Gold den Besitzer wechseln würde.
    Der Herr der Verbannten bedeutete den Musikern, weiterzuspielen, und den Tänzern, nicht in ihrer Pantomime innezuhalten. Wenn irgendjemand sie vom Ufer aus beobachtete, sollte ihm nichts ungewöhnlich erscheinen.
    Marikani trat mit der Botschaft an ihn heran, und sie führten ein langes Gespräch. Dann entfernte sie sich nachdenklich, während der Herr der Verbannten verkündete: »Eine Machtdemonstration vonseiten der Erbin der Magierkönige von Harabec! Und sei es auch nur, um alle zu beruhigen.«
    Marikani nickte und begann mit dem Schutzritual.

    Die Vorbereitungen dauerten Stunden, und die Söhne des Joar halfen bei der Zeremonie. Die Boote wurden zu einem gewaltigen Kreis gesammelt, in dessen Inneren vier von ihnen mit Tauen aneinandergebunden waren, um eine Art Plattform zu schaffen. Darauf wurde ein großes Feuer auf einer gewaltigen Steinplatte entzündet, auf der die Verbannten auch gewöhnlich Holzscheite verbrannten. Arekh fürchtete, dass die Flammen auf das Boot übergreifen könnten, aber nichts geschah.
    Auf die hohen Flammen aufmerksam geworden, begannen die Stadtbewohner, sich am Ufer zu versammeln. Kerzen wurden in den Fenstern entzündet, während die Bürger auf dem Platz sich fragten, was wohl vorging.
    Auf den Booten spürte Arekh, wie die Aufregung bei den Verbannten stieg. Da sie es gewohnt waren, sich nicht in die Angelegenheiten anderer einzumischen, schwiegen sie, aber sie beobachteten mit funkelnden Augen jede Bewegung der fremden Zauberin … der Tochter der Götter, der Prinzessin, die ihr Königreich der Ausgestoßenen betreten hatte. Politische Schwierigkeiten und Handelsbeziehungen waren vergessen. Es gab nur die Magie, die Magie des Rituals, aber auch die der Verbindung der Menschen mit den Göttern, mit den Königen, mit der Anderswelt und dem Unbekannten, das sie wie ein Flügel streifte.
    Marikani hatte keine Ritualtoga; sie war in eine große, orangefarbene Stoffbahn gehüllt, als sie die Konturen der Schutzrune mit zerstoßenem Kalk nachzog, der mit Öl zu geweihter Farbe vermengt war. Das Muster erstreckte sich in komplizierten Verschränkungen über alle vier Boote, und auf Marikanis Zeichen hin begann eine schwarzhaarige Frau zu singen: keinen heiligen Gesang, sondern eine einfache Liebesballade, deren Melodie alle kannten. Und als die Verbannten mit einstimmten, hätten ihre Stimmen
die der Gläubigen im Großen Tempel von Reynes am Sonnwendtag sein können, und Arekh hatte den Eindruck, dass die Macht der Rune greifbar Form annahm.
    Marikani musste etwas Ähnliches empfinden, denn sie baute sich hoch aufgerichtet in der Mitte der Rune auf und führte

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