Rune
gewesen war, und der wohl für immer dort sein würde.
Phil und ich verbrachten den Rest des Nachmittages mit einer Spazierfahrt inner- und außerhalb der Stadt, und gegen fünf Uhr setzte er mich daheim ab. Ich schritt durch die Vordertür und lauschte einen Moment in der Diele. Es hörte sich an, als sei Mom unten mit der Abendausgabe des Sentinel. Ich fand sie im Wohnzimmer, wo sie an einem Cocktail schlürfte.
»Was gibt’s zu feiern?« fragte ich.
Sie zwinkerte mir aus dem Lehnstuhl zu. »Ich habe heute nur ein Leben gerettet, das ist alles. Es gab einen Anruf von einem Selbstmörder heute morgen. Ich muß wohl über eine Stunde mit ihm gesprochen haben, und wir schienen Fortschritte zu machen. Ich drängte ihn dazu, eine Therapie zu machen, und nun rate mal: das psychologische Beratungszentrum hat eben angerufen, um mir zu sagen, daß er tatsächlich gekommen ist. Und sie haben mir zu meiner guten Arbeit gratuliert.«
Ich grinste und klopfte ihr auf die Schulter. »Eine Karriere steht dir offen, Doktor Mom.«
Sie prostete mir mit dem Cocktail zu. »Cheers.«
Ich ging zur Treppe.
»Hey«, sagte sie streng. »Wo bleibt mein Kuß? Dafür ist man nie zu alt.«
Ich trottete zurück und beugte mich vor, um sie auf die Wange zu küssen.
»Schon besser. Aber nimm bitte eine Dusche, bevor wir essen.« Sie hielt sich die Nase zu und beugte sich weg.
»Was steht auf dem Speiseplan?«
»Kürbis.«
Ich griff mir an den Magen, blähte meine Wangen auf und ließ einige ausgesuchte Geräusche vernehmen.
»In Ordnung, dann eben Zucchini. Macht das einen Unterschied?« Sie saß am Rande ihres Sessels und sah auf niedliche Weise klein und unschuldig aus. Sie ähnelte noch immer sehr stark den Bildern aus der Zeit, bevor sie Dad geheiratet hatte.
»Ich bin sowieso nicht so hungrig. Phil und ich sind heute früher gegangen, deshalb haben wir schon bei Chuck Wagon gegessen.«
Mom faltete die Zeitung und legte sie auf den Kaffeetisch. »Wie kommt Aaron zurecht?«
»Na ja«, sagte ich und wand mich etwas. »Während wir da waren, hat er ein paar Teller zertrümmert.«
Sie verdrehte die Augen. »Hat er Ärger gehabt?«
»Ja. Aber wenn er bald nach Hause kommt, wissen wir, daß er nicht eingedost worden ist.«
»Nun gut.« Sie biß sich auf die Unterlippe. »Beeil’ dich besser mit der Dusche. Dad und Aaron werden wohl bald zuhause sein.«
Ich lief nach oben, geradewegs unter die Dusche. Das Wasser fühlte sich immer himmlisch an nach einem Tag Arbeit auf der Straße. Erfrischt schlüpfte ich in Jeans und T-Shirt. Ich kam gerade mit nassen Haaren in die Küche, als Aaron eintrat.
Er sah reif für die Rente aus. Seine Schultern hingen, und seine Füße schlurften. Der dämliche Cowboyhut, der zur Standarduniform gehörte, baumelte in der einen Hand, und ein Ring feuchter Haare war auf seinen Kopf geklatscht. Und der Geruch erst – eine saure Mischung aus Schweiß und gegrilltem Steak, kombiniert mit dem subtilen Bouquet verfaulenden Mülls. Aaron hatte einige Zeit damit verbracht, den Abfall rauszubringen, soviel war sicher. Jenen fauligen, überreifen Geruch vergißt niemand, der ihm je ausgesetzt war.
Ich pfiff. »Ich hoffe nur, daß ich nicht so schlecht gerochen habe, als ich von dort heimgekommen bin.«
Aaron sah mich mit Eiswasseraugen an. »Nebenbei gesagt, hast du das.«
»Wie war dein erster Tag, Schatz?« fragte Mom, als sie auf ihn zukam, um ihn zu umarmen. Ihr schien diese Geruchswelle überhaupt nichts anzuhaben. Doch Mütter können selbst die schlimmsten Düfte ertragen, wenn es sein muß.
»Hat er ’s dir nicht schon erzählt?« Aaron wies mit dem Hut auf mich. Sein Gesicht sah älter aus, fast gefurcht. Vielleicht gemeiner. »Ich kann mir gut vorstellen, daß er dir alle Einzelheiten ausgemalt hat.«
»Nun, Chris hat etwas über Teller gesagt.«
Aarons volle Aufmerksamkeit galt nun mir, und seine Fäuste ruhten an seiner Hüfte. »Ich wette, du hast gehofft, so etwas zu sehen.«
»Hey, wir wollten nur etwas essen«, sagte ich. »Die Showeinlage war ein Bonus.«
Aarons Nasenflügel bebten, und ein Muskel in seinem Kiefer zuckte wie elektrischer Draht. Ich war überzeugt, daß er mich geschlagen hätte, wären wir allein gewesen. Doch Mom, die ewige Friedensstifterin, trat zwischen uns.
»Aaron, bitte. Ich bin sicher, daß Chris nur schauen wollte, wie es dir geht. Was ist passiert, nachdem du die Teller fallengelassen hattest?«
Aaron rieb sein öliges Gesicht und strich sein wirres Haar
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