Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge

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töten, wenn sie arbeiten müßte, um mich durchzufüttern.« Seine Stimme wurde eine halbe Oktave höher. »Du kleines Häufchen Elend, meine Tochter muß arbeiten, um dich mitzuschleppen! Ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit sie sich von dir scheiden läßt!«
    »Sehr charmant«, sagte Rick, der auf einer eingebildeten Gitarre klimperte und die Noten eines ungehörten Liedes griff.
    »So ist er, durch und durch. Ein großer Schnösel. Aber egal. Du bist dran, Chris. Hast du vor, aus Valerie eine ehrbare Ehefrau zu machen?«
    Ich nahm meinen Fuß von der Stoßstange und trat gegen den Reifen. »Ich müßte lügen, wenn ich sagen würde, daß ich nicht schon dran gedacht hätte. Aber es scheint mir nicht richtig zu sein, wißt ihr? Ich weiß nicht, ob es mir jemals richtig erscheint.«
    »Das ist schlecht«, sagte Phil leise. »Was ist das Problem?«
    Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Zum Teufel, ich weiß nicht. Wenn ich es wüßte, dann wüßte ich, was richtig ist.«
    Wir spielten dieses Spiel noch eine Weile, bis Rick bemerkte, daß die Kassette im Wagen schon zweimal abgespielt worden war. »Hat jemand was dagegen, wenn ich wechsle? Es wird Zeit für was anderes.«
    »Mach nur.« Für Phil und mich war es ohnehin nur Hintergrundgeräusch. Rick streckte sich über den Vordersitz und entfernte die laufende Kassette. Die anderen klapperten, als er sie durchging. Neue Musik drang aus den Lautsprechern, und Rick hüpfte raus. Er griff die Tür am Rand mit seiner linken Hand und schloß sie.
    Sie rastete mit einem deutlich vernehmbaren Geräusch ein, doch darunter war noch ein anderer Laut – nicht ganz wie zuvor, weicher.
    Seine Finger? Doch sicher nicht. Der Ausdruck auf Ricks Gesicht war fast komisch, wie cartooneske Überraschung. Die Augen geweitet und der Mund aufgerissen. Hätte er diesen Ausdruck nur den Bruchteil einer Sekunde länger behalten, hätte ich wohl gelacht. Doch in seinen Augen zeigte sich Qual, und sein Mund öffnete sich, um voller Schmerz aufzuschreien und einen Sturzbach von Worten loszulassen. Seine Knie knickten ein, und er sackte auf dem Asphalt zusammen, wobei seine rechte Hand am Türgriff herumfummelte, ohne den Knopf zu finden. Phil stürzte hin und öffnete die Tür, und ich fing Rick auf, als er vornüber fiel. Ich stützte ihn, bis er selbst wieder stehen konnte.
    Wir drängten Twang zurück zum Wagen, um das Unheil zu betrachten. Das Innenlicht zeigte uns seine mittleren drei Finger. Sie schwollen bereits an wie plumpe Wiener Würstchen und waren gestreift mit Blutergüssen, und dunkles Blut war unter den Nägeln zu sehen. Der Schock klang ab und der richtige Schmerz setzte ein, und Rick fing an zu weinen.
    »Kannst du sie bewegen?« fragte Phil. »Irgendeinen davon?«
    »Ich … ich traue mich nicht«, sagte Rick mit leiser und gebrochener Stimme. »Oh Scheiße, warum habe ich das gemacht, es tut so weeeeh!«
    Ich legte den Arm um ihn und klappte den Vordersitz um. »Leg’ dich auf den Rücksitz, Twang. Es ist bald wieder in Ordnung.« So hohle Worte, doch so leicht gesprochen, so einfach und achtlos. »Es ist bald wieder in Ordnung.«
    Er tat, was ich ihm gesagt hatte, langsam, vorsichtig und zitternd. Er kauerte sich zusammen wie ein Fötus und hielt die gequetschten Finger an die Brust. Und er weinte. Nicht so sehr wegen des Schmerzes, wie ich glaube, als wegen des Verlustes von Freitag nacht und dessen Bedeutung, wohin es geführt haben könnte.
    Als wir zurück in der Stadt und fast im Krankenhaus waren, saß Rick wieder aufrecht und sagte, daß die Schmerzen nicht mehr so schlimm seien. Keine Tränen, kein Stöhnen mehr, aber sein Gesicht hatte die kindliche Unschuld verloren, und was ich sah, wirkte wie ein langhaariger alter Einsiedler, den eine unnachgiebige Welt verbittert hatte. Die Schwestern in der Notaufnahme nahmen ihn gleich mit und ließen Phil und mich wartend in einem Raum zurück, der leer war, abgesehen von einer alten, schwarzen Frau, deren Augen und Hände nie von ihrer Geldbörse wichen.
    Phil wies mit dem Daumen an einen Münzsprecher an der Wand, und ich übernahm die Ehre. Es war nach halb zwölf, und der Anruf weckte Ricks Eltern auf. Seine Mutter ging ran und begriff sofort, was das hieß, als ich ihr sagte, daß es Ricks linke Hand war.
    Sie erschienen zehn Minuten später und sahen aus, als hätten sie sich übereilt angezogen. Phil und ich hatten uns durch die Hälfte des Junkfoods aus dem Automaten gefressen, um den