Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
Vom Netzwerk:
Biergeruch zu überdecken.
    Mr. Woodward schlief noch halb, doch Mrs. Woodwards Gesicht war angespannt und hellwach, und sie strich dauernd ihr kinnlanges Haar zurück. Ich hatte sie auf ihre dünne, mausähnliche Weise schon immer für hübsch gehalten.
    Rick wurde eine Viertelstunde später rausgelassen; seine Finger waren unter Plastikschienen und Pflastern verborgen. Seine Augen waren blutunterlaufen und sein Gesicht rot, und er hatte vergessen, wie man lächelt. Er sah wieder mehr wie ein Kind aus, aber wie ein niedergeschlagenes Kind – ein Kind, das sich verantwortlich dafür fühlt, daß seine Mannschaft nicht die Meisterschaft gewonnen hat. Wenn seine Mutter ihn nicht umarmt hätte, hätte ich es getan.
    Der Arzt sagte, er hätte noch Glück gehabt, wenn man alles in Betracht zöge. Keine Brüche, wenn der Mittelfinger auch haardünn angeknackst war. In jeden Nagel war ein Loch geschmolzen worden, damit das Blut abfließen konnte, und man hatte ihm ein Schmerzmittel gespritzt, doch mehr konnte man nicht für ihn tun. Die Schwellung würde nach einigen Tagen abklingen, und bis dahin würden sich seine Finger steif und angespannt anfühlen und pochen.
    Ich bin mir sicher, daß Rick sich alles andere als glücklich fühlte. Der Unfall war nicht so tragisch gewesen, daß er nie wieder würde spielen können. Eines Tages würden seine Finger wieder so gut wie neu sein. Doch es würde Monate dauern, bis er wieder normal spielen könnte. Monate. Und Eclipse konnte er sich abschminken.
    Als ich eine Stunde später wach im Bett lag, dachte ich, daß ich wohl noch nie im Leben solches Mitleid mit jemandem gehabt hatte. Ricks Gesicht suchte mich fortwährend heim. Es fiel wie ein Gewicht auf mich und zerschmetterte mich in meinem Bett. Ich hoffte, nie wieder solches Mitleid mit jemandem haben zu müssen. Nie wieder.
    Doch das Spiel begann erst. Ich mußte noch lernen, was wahre Qualen sind.
     
    »Du hättest sein Gesicht sehen sollen«, sagte ich. »Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben kein traurigeres gesehen.«
    Valerie ringelte mein Haar mit den Fingern. »Aber seine Hand wird wieder in Ordnung kommen?«
    »Ja, nach und nach. Aber er ist so niedergeschlagen. Ich wünschte, ich könnte etwas für ihn tun.«
    Val und ich waren wie üblich im Kino gewesen und saßen nun unter einigen Bäumen beim See im Stadtpark. Ein Picknicktisch stand zu unserer Rechten, und das Wasser rauschte sanft am Ufer. An diesem Abend war mir mehr nach Reden als nach Parken gewesen, und wenn die Worte mich im Stich ließen, wollte ich einfach nur festgehalten werden. Dies war unser erster gemeinsamer Abend seit meinem Kampf mit Wendell, und es fühlte sich besonders gut an, bei ihr zu sein. Nach jener Nacht hatte sie wohl nicht so recht gewußt, was sie von mir halten sollte. Nicht, daß ich ihr das übelgenommen hätte. Ich hatte es ja selbst nicht gewußt.
    »Und das passierte bei Tri-Lakes?« fragte Val.
    »Ja.« Ich lehnte mich zurück gegen sie, als sie mich mit ihren Armen umfing und ihre Finger auf meiner Brust kreuzte. »Weißt du, als wir zum ersten Mal da waren, schien Tri-Lakes ein großartiger Ort zu sein. Ein Ort, der nur uns gehört. Aber irgendwie scheint er uns nichts als Pech zu bringen.«
    Val küßte mich auf den Kopf. »Vielleicht solltet ihr euch einen anderen Ort suchen.«
    »Das sollten wir vielleicht.« Dann lachte ich leise. »Aber ich weiß, daß wir das nicht tun werden. Es ist zur Gewohnheit geworden, und sogar ziemlich schnell.« Ich traute mich nicht, ihr zu sagen, daß es dabei mehr um mich ging, fast wie ein persönlicher Groll. »Es ist, als bleibe man in einem miesen Job, weil man zu faul ist, zu gehen und sich einen besseren zu suchen. Oder wie ein Spiel, das man unbedingt spielen muß.«
    »Das sind merkwürdige Vergleiche. Aber irgendwie niedlich.«
    Sie umarmte mich fester. »Ich verstehe nicht alles, was in diesem Kopf vorgeht, aber ich mag ihn.«
    Ich lächelte und schmiegte mich an sie. Und erinnerte mich daran, was ich am Abend zuvor den Jungs über unsere Beziehung erzählt hatte. Plötzlich schien es eine Lüge zu sein, denn jetzt fühlte sich alles richtig an. Es hatte einer kleine Katastrophe bedurft, doch nun hatte es zwischen uns gefunkt.
    Und ich mochte dieses Gefühl.

13.
     
    Freitag, vierter Juli. Phil und ich hatten frei und waren glücklich wie Schuljungen, ein verlängertes Wochenende vor uns zu haben. Ich verbrachte den Großteil des Tages damit, mich im Hof zu sonnen, um meine

Weitere Kostenlose Bücher