Rune

startete. »Hoffentlich findest du das bald heraus.«
    »Zeig’ mal dein Gesicht, Chris«, sagte er.
    Ich präsentierte Rick das ganze Bild. »Meinst du, daß ich fürs Leben entstellt bin?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Du siehst schon sehr viel besser aus als Samstag nacht. Ein paar Tage noch, und du bist so niedlich wie früher.«
    Die Schwellungen von meinem Kampf mit Wendell waren fort, und die Quetschungen verblaßten von einem widerlichen Lila zu einem noch widerlicheren Gelb. Ihnen verdankte ich diverse Reaktionen – Aaron, der sie am Samstag morgen gesehen hatte, hatte sich bei der Geschichte geschüttelt. Er war nie ein großer Kämpfer gewesen, und bei den paar Handgemengen, in die er verwickelt gewesen war, hatte er stets verloren. Als Mom und Dad am Sonntag aus Kentucky heimkehrten, war ihr erster Gedanke der, daß ich bei Valerie etwas versucht hätte, das ich nicht hätte tun sollen. Dad schien nicht sehr bekümmert, solange es sich nur um einen einzelnen Vorfall handelte. Bei der Arbeit wurde ich von White Trash Joe und den anderen ganz schön aufgezogen, bis Phil ihnen erzählte, daß ich zumindest den Ort des Geschehens auf eigenen Füßen hatte verlassen können, was man von dem anderen nicht gerade behaupten konnte.
    Die erste Vorstellung im Autokino bot ein neues cineastisches Tief. Wir waren klug genug, nicht mehr als ein paar Titten von einem Pornofilm im Autokino zu erwarten, doch irgendein verborgener Zwang ließ es uns immer wieder versuchen. Phil und ich lümmelten uns in Gartenstühlen mit einer Kühltasche zwischen uns, und Rick lag auf der Motorhaube wie das erste Opfer der Jagdsaison. Wir gaben dem zweiten Film fünfzehn Minuten Zeit, um uns seinen Wert zu beweisen und ernsthaft Frischfleisch zu zeigen, und als er diese Chance nicht nutzte, schlug Phil vor abzuhauen. Der Gedanke traf auf wenig Widerstand. Wir packten unsere Stühle und die Kühltasche wieder ein und kapitulierten einmal mehr als Opfer von Titeln wie High-School-Pussy. Wir würden es wohl nie lernen.
    »Hat jemand Bock auf Tri-Lakes?« fragte Phil, als er rausfuhr. Wir wurden begleitet vom wütenden Hupen von zwei oder drei Autos, weil wir zu früh das Licht angeschaltet hatten. Ein ernsthafter Bruch der Autokino-Etikette.
    »Nichts dagegen«, sagte Twang.
    Ich sagte nichts, und das nahm Phil vermutlich als stumme Zusage. Und das war es wohl auch tatsächlich. Tri-Lakes war für mich zu einem Objekt der Faszination geworden, wie die morbide Neugier, welche die meisten Leute überkommt, wenn sie an einem Unfallauto vorbeikommen. Man muß einfach hinsehen. Und manchmal ist man sogar versucht, noch einmal dran vorbeizufahren.
    Wir fanden Tri-Lakes menschenleer vor, und mein Atem ging wieder etwas gleichmäßiger. Wir stiegen aus und befanden uns unter einem klaren Himmel, der alle Feuchtigkeit während der letzten Nächte vergossen hatte.
    Die Konversation an jenem Abend war typisch und drehte sich hauptsächlich um Frauen. Doch sie ging über das gewöhnliche Austauschen von Geschichten und Lügen hinaus. Statt dessen schienen wir uns ernsthaft mit unserer Zukunft zu beschäftigen. »Mit wem werden wir wohl eines Tages verheiratet sein?« fragte Rick. Er hatte sich für einige Minuten hingekauert, um an Saiten aus Gras zu zupfen.
    Phil kicherte und lehnte sich gegen den Kühlergrill. »Du bist schon längst mit deinen Gitarren verheiratet, Twang.«
    Rick sprang in einem Handstand auf und ging auf diese Weise zu Phil, dem er einen Fuß im Turnschuh unter die Nase hielt. Dann hüpfte er zurück wie ein dürrer Frosch. »Ich glaube nicht, daß ich sie schon getroffen habe. Wer immer sie auch ist, die mich verstehen und mit meinen Interessen umgehen kann, sie ist da draußen und wartet – aber wir haben uns noch nicht getroffen.« Er riß ein Büschel Gras samt Wurzeln aus und warf es in den Teich. Die Wellen nach dem Aufprall kräuselten sich schwarz und silberfarben unter dem Mond. »Laßt uns über Frustration reden.«
    Ich stellte einen Fuß auf die Stoßstange. »Wie steht’s mit dir und Connie, Phil? Meinst du, sie würde Ja sagen, wenn du sie fragen würdest?«
    Phil grinste und rieb sein Kinn. Er hatte sich heute nicht rasiert und es hörte sich borstig an. »Vermutlich ja. Bislang scheint sie alles zu sein, was ich je wollte.« Er lachte. »Aber es wäre eine der längsten Verlobungen der Geschichte. Ich will erst das College abschließen.« Phil schüttelte den Kopf. »Ihr alter Herr würde mich vermutlich