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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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hauptsächlich grün, weiß und hellbraun. Eine Reihe von Regalen bedeckte den Großteil einer Wand und beherbergte einen kleinen Fernseher, eine Stereoanlage und massenhaft Bücher. Einige Pflanzen standen in Übertöpfen herum oder hingen in Körben von der Decke. Ein hängender Rattansessel schaukelte sanft in einer Ecke, liebkost von der Septemberbrise.
    Sie fragte mich, wie mir das College gefiele, und ich antwortete ihr: »Gut.« Damit war unsere gemeinsame Grundlage für eine einleitende Plauderei auch schon erschöpft.
    »Werfen wir ’ne Münze, wer den Anfang macht?« fragte ich dann.
    Sie ließ sich nieder, bis sie im Schneidersitz auf dem Boden saß.
    »Ich habe zuerst gefragt.« Nun, wir konnten den ganzen Nachmittag mit Worten herumtanzen, wenn keiner von uns beiden das Risiko in Kauf nehmen wollte, anzufangen. Doch welches Risiko? Sich wie ein Idiot anzuhören? Ich bemerkte, wie meine Augen nervös in ihrem Wohnzimmer umherwanderten.
    »Kein Stenoblock, keine versteckten Aufnahmegeräte«, sagte Shelly ruhig. »Wie ich dir schon gesagt habe, ist das nur für mich. Es wird diesen Raum nicht verlassen.«
    Ich setzte mich ein Stück von ihr entfernt auf den Boden und lehnte mich mit dem Rücken gegen einen Lehnstuhl. »Ich habe bislang noch mit niemandem darüber geredet, wie ich mich in jener Nacht, als Rick verschwunden ist, gefühlt habe«, sagte ich. »Natürlich habe ich die Geschichte mehrere Male wiederholen müssen, aber das war nur ein Teil davon. Ich fühlte, daß da weitaus mehr vor sich geht. Ich meine, welche Erklärung konnten wir schon abgeben? Rick geht in dieses Wäldchen, schreit und kommt nicht mehr raus. Das war’s. Aber ich fühlte, daß da mehr war.«
    »Als wüßtest du, was passieren würde?« Ihre Augen schienen still und ruhig, neutral. Doch wenigstens war keine Skepsis darin zu erkennen.
    »Nein, nein, das war es nicht. Ich hatte keine Vorahnung oder so. Ich wußte nur, daß etwas Schlimmes passieren würde. Eine Eingebung könnte man es vielleicht nennen. Ich konnte mir das noch nicht mal erklären, da war er schon weg.« Meine Augen begannen zu brennen, und ich rieb sie mir. Ich starrte die kleine Spur von Feuchtigkeit an einem Finger an. »Das hat alles übertroffen, was in diesem Sommer sonst noch so schiefging.«
    »Was ist dort sonst noch passiert?« Ich konnte spüren, wie sie innerlich immer drängender wurde, was sie zu beherrschen versuchte. Es gelang ihr aber nicht völlig.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Nicht allzuviel. Ich meine, nichts davon scheint wichtig zu sein, wenn man es einzeln betrachtet. Ich bin dort in einen ziemlich blutigen Kampf verwickelt worden. Nur Kleinkram.«
    Ob Valerie das, was ich ihr angetan hatte, auch als Kleinkram bezeichnen würde?
    »Aber irgendwie schien alles mit uns schiefzugehen – meinen Freunden und mir –, nachdem wir diesen Ort entdeckt hatten.«
    Shelly zog ihre Knie unters Kinn und knetete mit den Zehen den Teppich. »Und du sagst, daß die Nacht, in der Rick verschwunden ist, alles übertroffen hat?«
    Übertroffen hat? wiederholte ich gedanklich. Eine armselige Wortwahl. Es hörte sich an, als wäre es das Ende gewesen, was natürlich nicht stimmte. Doch Ricks Verschwinden schien mir das Hauptthema der Unterhaltung zu sein, also gab ich die ganze Geschichte wieder – erzählte von Rick und seinen Leidenschaften, seiner Besessenheit von der Gitarre, und wie er die Plastikschienen bekam. Wie niedergeschlagen er in jener letzten Nacht war. Wie ich schon von Anfang an etwas anderes in Tri-Lakes gespürt hatte. Und ich entschloß mich, alles hinauszulassen und mich nicht darum zu kümmern, wie sonderbar es sich anhören mochte. Ich erzählte ihr, welches Gefühl ich hatte, als Rick sein Bier in den Hain geworfen hatte.
    … als wäre noch etwas bei uns, das im Laufe des Sommers angewachsen war – etwas, das eine neue Stufe seiner Evolution erreicht hatte …
    Und als ich fertig war, saß sie mir gegenüber, klopfte mit den Fingern auf ihre Knie und hatte die Lippen nachdenklich geschürzt.
    »Glaubst du mir?« fragte ich.
    Sie neigte den Kopf für einen Moment. »Ich versuche, mir eine geistige Offenheit zu bewahren.« Dann stand sie auf, dehnte ihre Muskeln wie eine Athletin und ging zu ihrem Bücherregal. Sie nahm einen blauen Schnellhefter und setzte sich dieses Mal näher zu mir. »Du hast letzten Monat gesagt, daß du schon von den Problemen gehört hättest, die die Arbeiter dort oben hatten?«
    Ich nickte.
    Sie

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