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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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über etwas, das die Welt unbedingt erfahren mußte. Jetzt allerdings konnte ich weniger als ein Dutzend Menschen sehen, und je weiter der Abend voranschritt, desto weniger wurden es.
    Ich lehnte mich sitzend an einen Baum in der Mitte des Hofes und begann, etwas über das Körperschaftswesen zu lesen. Nee, in mir verbarg sich gewiß kein zweiter Lee Iacocca oder T. Boone Pickens, der auf seine Entdeckung wartete. Eine halbe Stunde verstrich, dann eine weitere, und langsam wurde es schwerer, die Seiten des Buches zu lesen. Meine Augen schmerzten. Ich schloß sie für nur wenige Momente, das war alles …
    … und ich riß meinen Kopf hoch. Fast wäre ich eingeschlafen.
    Ich hätte aufstehen und mich bewegen sollen, um einen klaren Kopf zu bekommen, tat es aber nicht. Und immer, wenn ich das nicht tue, ist es so gewiß wie der Kuß des Todes und zweimal so heimtückisch.
    Das Buch glitt von meinem Schoß ins Gras. Ich sackte zurück gegen den Baum, während mein Kinn auf die Brust fiel. Bald begann ich zu träumen und kehrte zurück an einen Ort, den ich kannte. Einen Ort, der mich kannte.
    Es war das Tri-Lakes jenes Tages im Juli, als ich allein dort gewesen war, als es sich vor meinen Augen verändert hatte wie eine Traumsequenz in einem Film, bis es nicht mehr der gleiche Ort war. Bis es sich in ein Tri-Lakes verwandelt hatte, das von dunklen Hügeln umgeben war und dessen Gewässer ich Fjord genannt hatte.
    Und wie beim ersten Mal wandte ich den Kopf nach links und war mir bewußt, daß ich wieder den Reiter auf dem Hügel sehen würde. Der große Mann, dessen Pferd sich in tierischem Trotz aufbäumte, bevor es den Hügel herabpreschte. Er zog seine Waffe und schwang sie in der Luft. Die Hufschläge des Pferdes schwollen zu einem Donnern an, während wütender Schaum um seine Nüstern wölkte.
    Wieder sah ich die Pelzkleidung des Mannes, den fliegenden Haarschopf, den verfilzten Bart. Ich konnte den überwältigenden Gestank seiner fauligen Körpermasse riechen. Und ich konnte allen Zorn der Hölle in seinen Augen sehen.
    Die Pferdehufe erreichten ein wildes Crescendo, und der Mann erhob die Axt über seinen Kopf, als er einmal mehr siegesgewiß brüllte. Dieses Mal würde nichts ihn aufhalten können, nie und nimmer.
    Er ließ die Axt so schnell herabsausen, daß ich noch nicht einmal den Bogen sehen konnte. Der Schmerz -
     
    Ich erwachte, als ein dumpfes Geräusch an meine Ohren drang; der Klang, den ein großer Holzklotz macht, wenn man ihn zum ersten Mal spaltet. Ein Überrest vom Traum, wie ich in der ersten Sekunde des Erwachens wußte. Das war alles.
    Doch dann lehnte ich mich gegen den Baum …
    Und stieß meinen Kopf an etwas, das zuvor nicht dagewesen war.
    Ich schrie verwirrt auf und war kurz davor, mir in die Hosen zu machen. Als ich mich wegrollte, sah ich die Traumaxt in den Baum gegraben, knapp zwei Zentimeter von meinem Kopf entfernt.
    Ich blickte mich verzweifelt um. Es war jetzt Nacht, doch der Hof war noch hell erleuchtet. Und außerdem menschenleer. Selbst wenn jemand still und heimlich auf mich zugekrochen wäre, hätte er nicht genügend Zeit gehabt, um sich so schnell wieder zu verstecken. Nicht in der Mitte des Hofes.
    Ich fing an zu zittern, wie man das häufig tut, nachdem die Gefahr vorüber ist, und kroch zurück zum Baum. Die Axt hatte nur ein einseitiges Blatt aus matt glänzendem Eisen, das sich tief ins Holz gefressen hatte. Ein dicker Holzgriff hing schief nach unten. Der Kopf verjüngte sich vom Griff zu einer Rasiermesserschneide und war beschrieben mit primitiven Zeichen – kruden Figuren wie aus Stöckchen, einfachen geometrischen Formen.
    Runen. Wikingerrunen. Ich konnte sie nicht lesen, doch ich konnte sie als das erkennen, was sie waren.
    Und an dieser uralten Streitaxt war keine einzige Spur von Rost zu sehen. Als wäre sie eben erst geschmiedet worden.
    Ich stemmte einen Fuß gegen den Baumstamm und umfaßte den Griff mit beiden Händen. Keuchend zog ich ihn heraus. Ich glitt einmal mehr zusammenbrechend den Baumstamm hinab und konnte nichts tun, als dazusitzen und hilflos zu weinen.
    Wikinger, dachte ich. Wieder die Wikinger.
    In Ordnung. Vielleicht hatte Tri-Lakes mir nicht einfach nur ein Gesicht gezeigt, das ich verstehen würde. Nun hatte ich einen fühlbaren Beweis, wenn ich auch genauso schlau war wie vorher. Die Wikinger waren aus Europa gekommen. Aus Skandinavien. Wie ich. Die Polizisten und Fernsehsprecher würden da sicher einen Zusammenhang sehen. Doch ich

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