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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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los?«
    Er überhörte ihre Frage und wischte statt dessen hastig die Scheiben ab. Seine Hand war feucht und kalt, und dann sah er hinaus. Und konnte nichts außer dem Teich, dem Hain und all den gewöhnlichen Dingen sehen.
    »Mitch …« Marys Stimme klang jetzt drängender.
    Ein schwaches Geräusch drang an sein Ohr, ein Zischen in weiter Entfernung. Wie das Geräusch … wie das Geräusch eines Reifens, dem innerhalb von vier Sekunden die Luft entwich.
    Das Auto neigte sich wieder.
    Mitch blickte grimmig aus dem Fenster, und der Zorn ballte sich in ihm wie eine stählerne Faust. Denn da draußen war jemand, der sich an seinen Reifen zu schaffen machte. Zwei waren schon platt, und er besaß nur einen Ersatzreifen. Er stellte sich schon auf einen langen Heimmarsch ein, sollte er nicht zufälligerweise jemanden zu Mus schlagen und dessen Auto borgen können. Und das werde ich auch tun. Er hatte ein Gewicht von hundertsiebzig Pfund, und nichts davon war Fett. Er klatschte mit der Faust in die offene Handfläche.
    »Du verriegelst die Tür, wenn ich draußen bin«, sagte er zu Mary, die sich zu ihm beugte, als er die Tür öffnete.
    »Aber Mitch, riechst du nicht diesen scheußlichen Gestank?« rief sie, doch er hörte sie nicht, weil er die Tür bereits wieder zugeschlagen hatte.
    Er stand neben dem Wagen unter einem Nachthimmel aus schwarzem Kristall, und der kalte Wind schnitt durch seine Kleidung. Er bekam halb mit, daß Mary im Auto etwas brüllte, doch er hatte keine Zeit, ihr zuzuhören. Erst mußte er sich um jemand anderen kümmern. An erster Stelle.
    Mitch ging nach vorne. Nichts bislang. Doch dann drehte der Wind, und er konnte tatsächlich eine Nase voll von dem fauligen Geruch nehmen. Wie alter Schweiß und Dreck und noch schlimmeres. Er ging am Kühlergrill des Wagens vorbei.
    Etwas blitzte unter ihm auf, und Schmerz explodierte in seinem linken Knie. Er hörte Mary schreien, als er sich in Richtung des Stoßes krümmte. Im Innern war etwas zerbrochen, daran war kein Zweifel, und als er schwer auf dem Asphalt landete, sah er einen Wagenheber neben seinem platten Reifen. Der Reifen war sauber aufgeschlitzt von einem Messer.
    Er hätte nie gedacht, daß ein Schmerz so heftig, so verdammt konzentriert sein könnte. Mitch biß die Zähne zusammen und versuchte, nicht zu schreien.
    Rauhe Hände ergriffen ihn und drehten ihn auf den Rücken. Er konnte das Gesicht des Angreifers noch immer nicht erkennen, denn der Mond hüllte den Hurensohn, der sich zu flink bewegte, in Schatten. Doch er sah das schwere Ende des Wagenhebers sich heben, reglos vor dem Mond verharren wie ein fürchterlicher Hirtenstab – und dann nach unten sausen.
    Sein zweites Knie zersplitterte wie ein Streichholz, und als er von der Wucht des Aufpralls hochsprang, konnte er sehen, daß es sich falsch herum knickte. Die Schreie waren jetzt in Stereo – Marys und seine.
    Noch immer eine Chance, wenn der Kerl nahe genug herankäme. Mitch hatte sehr starke Arme. Ein guter Schlag könnte den Spieß umdrehen.
    Doch wer das auch war, er war ebenso stark, wenn nicht noch stärker. Und nachdem jeder von Mitchs Armen im Winkel von fünfundvierzig Grad zum Wagen gebogen und mit einem Geräusch wie knackendes Holz zertreten worden war, wußte er, daß es keinen Ausweg mehr gab. Sein Verstand raste noch immer, völlig klar trotz der Qualen, oder gerade ihretwegen, aber er konnte sich nicht rühren. Sein Kopf rollte schlaff auf dem Asphalt; er fühlte, wie ihm Speichel aus den Mundwinkeln tropfte.
    Jene rauhen Hände griffen wieder nach ihm und rissen ihn hoch in eine sitzende Haltung, mit dem Rücken gegen den Reifen, dessen Gummi sich an den Asphalt drückte. Mitchs Kopf knallte gegen die Stoßstange, und Sterne erglänzten vor seinen Augen. Er hörte kurz die Zündung. Sie wird wegfahren und mich zurücklassen.
    Doch dann hörte Mitch klirrendes Glas, als der Wagenheber das Seitenfenster zerschmetterte. Marys Schreie wurden sofort lauter, und die gewaltige Gestalt zu seiner Rechten beugte sich in den Wagen, und er hörte das Zerreißen von Stoff. Sie schrie, trat, schlug in panischer Wut – und doch bewahrte sie das nicht davor, durch das zerbrochene Fenster gezogen zu werden, was in Verbindung mit dem spritzenden Blut an den verbliebenen Scherben wie eine obszöne Parodie einer Geburt wirkte.
    Mitch konnte kein Wort verstehen, das sie sagte, wenn sie überhaupt noch etwas sagte, aber er sah zu, wie sie zu einer Stelle ungefähr fünfzehn Fuß vor

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