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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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deutscher Soldat, der gegen Ende des Krieges umkam.«
    »Wie kam es dazu, dass Melville Sie adoptierte?«, wollte Melkorka wissen.
    »Andrew war ein kanadischer Lieutenant der amerikanischen Besatzungstruppen in München, wo er meine Mutter im Herbst 1945 kennenlernte. Sie heirateten Weihnachten 1946 und ließen sich hier drüben nieder, wo Andrew mich wie seinen eigenen Sohn aufzog. Er wurde ein erfolgreicher Finanzunternehmer und Industrieller. Ich habe die Leitung der Unternehmungen des Melville-Clans 1979 übernommen, als Andrew starb. Seither habe ich mich darauf konzentriert, den Familienbesitz zu vermehren.«
    |196| »Haben Sie nie einen Versuch unternommen, das Schicksal Ihres Vaters aufzuklären?«
    »Doch, natürlich. Ich habe es während meiner Gymnasialzeit versucht und bin zu dem interessanten Ergebnis gekommen, dass niemand mit Sicherheit etwas über sein Schicksal weiß. Jahrelang hing ich Tagträumen nach, dass mein Vater noch lebte und sich irgendwo in einem fernen Land versteckt hielt. Ich habe mich dann eine Zeit mit der Gewissheit meiner Mutter zufriedengegeben, dass er im Krieg gefallen sei. Das Foto Ihres Großvaters hat mir dann aber die längst verdrängten Träume wieder zurückgeholt. Ich brenne darauf, so schnell wie möglich zu erfahren, ob das Tagebuch neues Licht auf das Schicksal meines Vaters wirft.«
    »Finden Sie, dass das die Täuschungen und den Diebstahl Ihrer Auftragnehmer rechtfertigt?«, entgegnete Melkorka kühl.
    »Ich habe der Leitung von Brownwatergegenüberkeinen Hehl daraus gemacht, dass mir außerordentlich viel daran gelegen ist, Gewissheit zu bekommen. Das wusste auch Forster sehr gut. Wahrscheinlich war er davon ausgegangen, dass unter diesen Umständen der Zweck das Mittel heiligen würde, und hat deshalb zu dieser extremen Maßnahme gegriffen. Offen gestanden kann ich ihm das noch nicht einmal vorwerfen. So wie es um mich steht, ist der Erfolg das Einzige, auf das es mir im Leben noch ankommt.«
    Melkorka spürte ihr Mitleid mit diesem ebenso schwerreichen wie arroganten Rollstuhlinsassen mit jeder Sekunde mehr dahinschwinden.
    »Forster hat Ihnen einen Bericht über den Verlauf seiner Mission gegeben, bevor er ermordet wurde?«, fragte sie.
    |197| »Ja.«
    »Dann ist Ihnen vermutlich bekannt, dass dem Bericht meines Großvaters zufolge Gerhard von Ramstein im September 1944 von Narvik in Norwegen mit dem U-Boot in See stach?«
    »Ja, aber steht da wirklich nirgends, wohin sie fuhren?«
    »Nein. Großvater wollte das Geheimnis mit ins Grab nehmen, wenn er überhaupt jemals gewusst hat, was ihr Ziel war.«
    »Alan erwähnte verborgene Geheimdokumente über diese Fahrt des U-Bootes.«
    »Ja«, bestätigte Melkorka. »Großvater schreibt, dass Himmler das Runenlied von Gotatýr an einem sicheren Ort mitsamt den Dokumenten zu der Mission der beiden SS-Männer versteckt hat.«
    »Und wo?«, forschte der Kanadier.
    »Das weiß ich nicht.«
    Melville schien heftig von dem Gedanken ergriffen zu sein, dass irgendwo in Deutschland noch Informationen aus dem Herbst 1944 über die letzte Fahrt seines Vaters zu finden waren.
    »Ich muss diese Dokumente finden, um jeden Preis«, stellte er fest. »Was schreibt Ihr Großvater noch zu dem Versteck der Geheimdokumente?«
    »Er nennt den Ort im Tagebuch nirgends beim Namen«, sagte Melkorka.
    »Sie sind sich da ganz sicher?«
    »Ja, aber er hat die Wegbeschreibung festgehalten, wie er dort hinkam.«
    »Wie lautet sie?«
    Melkorka schwieg eine Weile.
    |198| »Wollen Sie Leute losschicken, um nach den Dokumenten zu suchen?«, fragte sie schließlich.
    »Worauf Sie Gift nehmen können, wenn die Hinweise Ihres Großvaters genau genug sind, dass sich eine Suche lohnt.«
    »Das Runenlied gehört mir, wenn es gefunden wird.«
    »Einverstanden. Mich interessiert lediglich das Schicksal meines Vaters.«
    Aber noch zögerte Melkorka. Sie war sich überhaupt nicht sicher, ob sie diesem John Ramstein Melville über den Weg trauen durfte, nach allem, was vorgefallen war.
    Der Milliardär schien ihre Gedanken zu lesen.
    »Ich stehe immer zu meinem Wort«, versetzte Melville. »Sie können sich bei jedem danach erkundigen, mit dem ich jemals Geschäfte gemacht habe.«
    Für den Moment ließ sich Melkorka überzeugen. Sie zog ihre Übersetzung des Notizbuchs hervor und gab eine kurze englische Zusammenfassung:
    Himmler hat mich für heute Abend zu sich bestellt, um mir die Befehle persönlich zu übergeben. Ich wurde mit dem Flugzeug nach München

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