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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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gebracht und dann in die Alpen gefahren. Als wir ankamen, war es überall dunkel. Das letzte Stück fuhren wir einen engen, steilen Weg entlang, der sich den schwindelerregend schroffen Berg in Kurven hinaufwand und in einen langen, künstlich angelegten Tunnel. Dort fuhren wir in einem Aufzug durch den Felsen und in ein großes Haus, das oben auf dem Berg stand.
    »Ich habe aber leider keine Ahnung, welches Gebäude Großvater hier beschreibt.«
    »Aber ich weiß es«, ließ sich Robert M. Houston selbstzufrieden vernehmen.
    |199| 41
    Melville schien von seinen Emotionen plötzlich überwältigt zu werden. Sein Gesicht zuckte, er verdrehte die Augen, und Schaum trat auf seine Lippen. Eines der Mädchen neben ihm stand sofort auf, zog sich einen weichen Fellhandschuh über die rechte Hand und begann dem Mann damit über die spiegelnde Glatze zu streicheln. Langsam und regelmäßig. So wie es Melkorka bei der alten Hauskatze ihrer Mutter auch immer getan hatte. Die andere hielt ihm ein Fläschchen unter die Nase und tupfte ihm mit einem Papiertuch den Speichel von den Lippen.
    Die Massage dauerte einige Minuten. Dann öffnete Melville die Augen wieder.
    »Wo?«, krächzte seine heisere Computerstimme. »Wo?« »Die Nazis haben in Deutschland nur ein einziges Gebäude errichtet, auf das diese Beschreibung passt«, antwortete Houston lächelnd. »Es steht heute noch auf dem Gipfel des Kehlstein in den bayerischen Alpen, auf etwa 1800 Meter, wenn ich’s recht weiß.«
    »Aha!«, knurrte Melville. »Das Kehlsteinhaus. Ich habe davon gehört.«
    »Während des Zweiten Weltkriegs nannten die Alliierten das Haus gerne den
Adlerhorst
, weil sie annahmen, dass er die letzte uneinnehmbare Alpenfestung der Naziführung war.«
    |200| »Ist mir bekannt.«
    »Nach der Machtergreifung 1933 nahmen Hitler, Göring, Bormann und andere aus der Nazi-Führungsriege den ganzen Obersalzberg in Besitz. Es war einer der schönsten Orte in den süddeutschen Alpen«, fuhr Houston mit sonorer Stimme fort, als hielte er eine Vorlesung. »Sie kauften, oder besser gesagt, sie beschlagnahmten die prächtigsten Gebäude, vertrieben die Ortsansässigen und schufen einen abgesperrten Bezirk, den sie
Führersperrgebiet
nannten. Dann ließ Bormann dieses wahnwitzige Bauwerk auf den Kehlstein hinklotzen, als Geschenk der NSDAP für Hitler anlässlich seines 50. Geburtstags. Das war 1939, gut vier Monate vor dem Überfall der Deutschen auf Polen, womit die Nazis den Zweiten Weltkrieg anzettelten. Alle Versuche der alliierten Luftstreitkräfte, das Gebäude durch Bombardements zu zerstören, misslangen, und daher war der Kasten bei Kriegsende noch völlig intakt und unbeschädigt. Dort wird heute während des Sommers ein ziemlich gutes Restaurant betrieben. Bei schönem Wetter ist die Aussicht von dort oben einzigartig.«
    »Waren Sie schon mal dort?«, fragte Melkorka.
    »Ja, ja, ich habe das Kehlsteinhaus vor ein paar Jahren besucht und hatte an dem Tag besonderes Glück mit dem Wetter. Die Berggipfel dort sind einer schöner als der andere. Vom beeindruckenden Untersberg ganz zu schweigen. Von dem geht die Volkssage, dass Karl der Große mitsamt seinen fünftausend Soldaten darin schläft und nur darauf wartet, wieder zu erwachen und das deutsche Volk aus seinen Nöten zu befreien.«
    »Besteht denn eine Möglichkeit, dass Himmlers Geheimdokumente |201| noch in dem Gebäude versteckt sind, nach all den Jahren?«, fragte Melville.
    »In den ersten Wochen nach der Eroberung des Kehlsteinhauses durch die Alliierten im Frühjahr 1945 verschwand die Einrichtung des Adlerhorstes fast vollständig«, erklärte Houston. »Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde als Souvenir mitgenommen. Darunter auch Stücke des prachtvollen asiatischen Teppichs, den Hitler als Geburtstagsgeschenk vom japanischen Kaiser Hirohito erhalten hatte. Das Gebäude selbst blieb allerdings unangetastet. Nehmen wir mal an, ein Geheimversteck dieser Art wurde in den dicken Mauern des Gebäudes angelegt, dann ist es wohl denkbar, dass Himmlers Dokumente heute noch darin versteckt liegen.«
    Melville wandte sich wieder an Melkorka:
    »Wissen Sie, wo in dem Haus das Geheimfach verborgen ist? Gibt es dazu in den Notizen Ihres Großvaters nähere Angaben?«
    Melkorka zögerte mit der Antwort.
    »Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?«, raunzte der Kanadier.
    »Ich werde Ihnen erst vor Ort weitere Auskünfte zum Bericht meines Großvaters geben«, entschied sie.
    »Vor Ort? Wie, vor

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