Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
Vom Netzwerk:
Sommerhaus. Es war einstöckig und wirkte sehr einladend. Alle Fenster waren hell erleuchtet.
    »Da ist jemand zu Hause, so viel ist sicher«, bemerkte Melkorka mit einem Lächeln.
    Ohne zu zögern, ging sie Erna voraus, zwischen den Fahrzeugen hindurch zur Eingangstür. Sie läutete einige Male.
    Jack Powell öffnete. Er riss die Augen vor Verwunderung weit auf.
    »
Takk fyrir síðast
– Danke für neulich«, begrüßte ihn Melkorka nach isländischer Landessitte. »Ich dachte, ich komm mal bei euch zum Mitternachtskaffee vorbei.«
    »Der Boss hat jeden Besuch untersagt«, kam es von Powell.
    Melkorka lächelte.
    »Ich kann natürlich morgen früh wiederkommen und meine Kamera mitbringen, wenn er gratis eine Werbung für sein Unternehmen im Fernsehen haben möchte«, konterte sie kühl.
    »Warten Sie.«
    Powell schloss die Tür. Nach einer Minute etwa öffnete er sie wieder und ließ sie eintreten.
    »Er sitzt da«, wies er sie mit einer knappen Kopfbewegung an.
    »Komm«, forderte Melkorka Erna auf und durchquerte das geräumige Zimmer.
    In seiner Mitte stand ein Tisch. Darauf waren Laptops, Landkarten, Bücher und Getränke. Drei Männer saßen nebeneinander vor einem großen Flachbildschirm.
    Einer davon war Alan Sexton.
    |328| »Ihr Besuch ist zwar unerwartet, aber nicht unbedingt unwillkommen«, knarrte eine Computerstimme vom anderen Ende des Raumes.
    Melkorka erkannte die digital verfremdete Stimme sofort. Sie drehte sich augenblicklich um und sah direkt in die raubvogelhaften Augen des Kanadiers im Rollstuhl. Er war sorgfältig an Sitzfläche und Rückenlehne angeschnallt. Seine beiden jungen, blonden Assistentinnen standen zu beiden Seiten neben ihm.
    Der Kanadier hatte ganz deutlich gegen seine Überzeugung so gesprochen. Sein feindseliger Blick sprach Bände davon, dass er alles andere als glücklich darüber war, Melkorka und Erna in sein Sommerhaus am Þingvallavatn hereinplatzen zu sehen.
    Alan Sexton stand mit unbewegter Miene auf. Wie nebenbei nestelte er am Knoten seiner grauen Fliege.
    »Wie haben Sie uns gefunden?«
    »Es ist schwer, sich in Island versteckt zu halten«, antwortete Melkorka immer noch lächelnd.
    »Was wollen Sie?«
    Die Computerstimme ließ nichts von der heftigen Erregung durchscheinen, die in dem gelähmten Milliardär toben musste.
    Erna konnte die Augen nicht von dem Rollstuhlfahrer abwenden, den sie bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Melkorka interessierte sich dagegen mehr für das Bild auf dem großen Flachbildschirm.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Das geht Sie nichts an«, versetzte Alan Sexton.
    Melkorka trat an den Tisch heran, an dem die beiden jungen Mitarbeiter trotz des Besuches weiterarbeiteten. |329| Einer von ihnen versuchte, das Bild auf dem großen Flatscreen mit einem Luftbild von der großen geologischen Einsenkung von Þingvellir zur Deckung zu bringen. Unter anderem war darauf das südliche Ende des Sees im Gebiet von Nesjavellir zu sehen.
    »Sie haben offensichtlich irgendwelche Vermessungen auf dem Gebiet von Þingvellir ausgeführt«, sagte sie und deutete auf den Flatscreen. Darauf waren zahlreiche rote Streifen zu sehen, die in Nord-Süd-Richtung verliefen. Die meisten waren lang und schmal. Einer der rotmarkierten Streifen war um die Mitte jedoch deutlich breiter und erinnerte an einen Kegel mit Bauch.
    »Die Jungs vertreiben sich die Zeit mit Computerspielchen«, entgegnete Sexton trocken.
    »Na schön. Wie Sie wollen«, sagte Melkorka und wandte sich wieder Melville zu. »Dann komme ich morgen früh wieder mit einem Kameramann und mache eine nette kleine Nachrichtenmeldung über den geheimen Stützpunkt der kanadischen Familie Melville und der Leute von Brownwater auf Þingvellir. Es dürfte ein Leichtes sein, die Nachricht dann an CNN weiterzuverkaufen.«
    »Du spielst mit dem Feuer«, krächzte Melville.
    »Mit welchem Feuer?«
    »Mit mir.«
    »Sind Sie ein Feuer?«
    »Das heißeste, das du dir vorstellen kannst.«
    »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«
    »Reiche können sich selbst das Leben erleichtern, es anderen aber gleichzeitig sauer machen«, antwortete Melville. »Aber ich bin nicht nur einfach reich. Ich bin schwerreich. Schwerreiche wie ich können das Leben anderer |330| komplett verändern, zum Guten oder zum Bösen. Wir machen eine Lüge zur Wahrheit oder eine Wahrheit zur Lüge. Wir lassen eine Einbildung zur Tatsache werden oder eine Tatsache zu einem lächerlichen Hirngespinst verkümmern. Viele Leute auf der

Weitere Kostenlose Bücher