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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Stockwerk und nur einen Augenblick später den Schankraum, in dem sie den ganzen
Tag verbracht hatten. Da das Feuer im Kamin noch nicht
vollständig heruntergebrannt war, konnten sie sich in seinem flackernden Licht einigermaßen orientieren und den
Raum durchqueren, ohne irgendwo anzurempeln und dadurch jemanden aufzuschrecken.
Die Tür war mit einem schweren, massiven Riegel versperrt, der einem kleinen Burgtor alle Ehre gemacht hätte,
und Dulac und Gwinneth wuchteten ihn mit vereinten
Kräften und unendlich behutsam zur Seite, um nicht im
allerletzten Moment doch noch jemanden aufzuschrecken.
Dann waren sie draußen und ließen damit den unendlichen
Luxus des geheizten Hauses hinter sich, den sie so ganz
unverdient eine Weile hatten genießen können.
Dulac biss die Zähne zusammen, um ein Keuchen zu unterdrücken, als er in den Sturm hinaustrat. Er war nicht
annähernd so schlimm wie der während des PiktenÜberfalls und trotzdem hatte er im ersten Augenblick das
Gefühl, dass der Wind ihm mit glühenden Messern in sein
Gesicht und seine ungeschützten Hände schnitt. Auch
Gwinneth sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein
und drehte das Gesicht zur Seite. Um ein Haar hätte sie
dabei vor Schreck die Tür losgelassen, was einer Katastrophe gleichgekommen wäre, denn der Sturm hätte sie
zweifellos mit einem Knall zugeschlagen, der das ganze
Haus hätte wecken können.
Dulac griff hastig zu und verhinderte das Schlimmste –
wenn auch um den Preis, sich die Finger so kräftig einzuklemmen, dass ihm schon wieder die Tränen in die Augen
schossen –, bedeutete Gwinneth mit einer entsprechenden
Geste, vorsichtiger zu sein, und machte gleichzeitig eine
Kopfbewegung nach links.
Die gemauerte Front des Hauses setzte sich in dieser
Richtung noch zehn oder zwölf Schritte weit fort und ging
dann in die hölzerne Wand des weitläufigen Pferdestalles
über, in dem sie am vergangenen Abend ihre Tiere untergebracht hatten. Schräg gegen den Sturm gelehnt und die
Hände schützend vor die Gesichter gehoben, kämpften sie
sich durch das eisige weiße Chaos bis zu einer schmalen
Tür, die in das große, zweiflügelige Tor des Pferdestalles
eingelassen war. Obwohl sie sich erst seit wenigen Augenblicken hier draußen befanden, waren Dulacs Finger
schon wieder so steif vor Kälte, dass er im ersten Moment
Mühe damit hatte, den Riegel aufzuschieben, und als es
ihm endlich gelungen war, da riss ihm eine Windböe die
Tür aus der Hand und warf sie drinnen mit einem schmetternden Krachen gegen die Wand.
Dulac erstarrte für einen Moment und lauschte, aber
dann wurde ihm bewusst, wie lächerlich das war. Der
Sturm war so laut, dass er nicht einmal gehört hätte, wenn
drinnen im Haus hundert Iren Zeter und Mordio geschrien
hätten, und mit Sicherheit hatte er auch das Geräusch der
auffliegenden Tür verschluckt.
Dicht gefolgt von Gwinneth huschte er in den Stall, blieb
einen Moment stehen und versuchte sich zu orientieren. Es
war so vollkommen dunkel hier drinnen, dass er nur
Schemen sah, aber zumindest einer davon schimmerte in
vertrautem Weiß. Er hatte kaum den nächsten Schritt gemacht, da hörte er ein wohl bekanntes Schnauben und der
Schemen bewegte sich unruhig.
Das Einhorn.
Dulac griff im Dunkeln nach hinten, ertastete Gwinneths
Hand und zog sie hinter sich her. Sie hatten ein zweites
Mal Glück. Unmittelbar neben dem Einhorn war auch
Gwinneths weiße Stute angebunden, und als wäre das
Schicksal ausnahmsweise einmal auf ihrer Seite, entdeckte
er fast sofort ihre Sättel, die ordentlich auf einen Balken
gehängt waren. Zusammen mit Gwinneth sattelte er beide
Tiere und zäumte sie auf, und noch bevor sie ganz fertig
wären, deutete Gwinneth auf ihr Packpferd, das gleich
daneben angebunden war.
Dulac schüttelte den Kopf. »Wir müssen es hier lassen.
Es würde uns nur aufhalten.«
Und sehr viel zu tragen hätte das Tier ohnehin nicht
mehr gehabt. Die Wirtsfrau hatte praktisch alles, was sie
an Kleidung besaßen, mitgenommen, um zu waschen und
zu flicken, was noch zu flicken war. Alles, was ihnen jetzt
noch blieb, befand sich in dem schmalen Bündel, das auf
seinem Rücken hing. Trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl, als er diese Worte aussprach. Das Packpferd hatte
ihnen treu gedient und alle Entbehrungen und Strapazen
klaglos hingenommen. Auch wenn es nur ein Tier war: Er
kam sich undankbar vor, und die Art, wie das struppige
Pony jetzt den Kopf an ihn

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