Runenschild
schmiegte, verstärkte dieses
Gefühl noch, denn fast schien es, als wisse es um sein
Schicksal.
Dulac schüttelte den Gedanken ab und machte eine abwehrende Handbewegung, als Gwinneth aufsteigen wollte.
Sie folgte seinem Blick und nickte dann, ohne dass er ihr
erklären musste, was er meinte. Das zweiflügelige Stalltor
war riesig, und sowohl sie als auch Dulac hatten gerade
beide am eigenen Leibe gespürt, welche Gewalt der Sturm
hatte, der von draußen darauf einprügelte.
Dulac bezweifelte, dass ihrer beider Kraft ausreichte, um
das Tor zu öffnen und es gegen den Sturm aufzustemmen.
Ohne ein weiteres Wort lösten sie die Zügel der weißen
Stute und des Einhorns und machten sich auf den Weg zu
der kleine Schlupftür, durch die sie hereingekommen waren. Dulac war nicht einmal ganz sicher, dass das gewaltige Einhorn überhaupt hindurchpasste.
Aber er sollte nie dazu kommen, es herauszufinden. Sie
hatten sich der Tür bis auf zwei Schritte genähert, als ein
gewaltiger Schatten in der Öffnung auftauchte.
Gwinneth stieß einen kleinen erschrockenen Schrei aus
und schlug die Hand vor den Mund und auch Dulac fuhr
fast entsetzt zusammen. Das Einhorn, dessen Zügel er in
der rechten Hand hielt, schnaubte drohend und senkte den
Kopf, sodass sich das unterarmlange, nadelspitze Horn auf
seiner Stirn wie eine Waffe auf den Eindringling richtete.
Dulac verstärkte hastig seinen Griff um die Zügel.
Der Schatten trat vollends in den Stall herein und machte
einen Schritt zur Seite, um einer zweiten, womöglich noch
größeren Gestalt Platz zu machen, die ihm dichtauf folgte.
Die Hände des zweiten Mannes waren nicht leer. In der
rechten trug er ein heftig flackerndes Windlicht, das die
Dunkelheit vertrieb, aber so unstet flackerte, dass ihn Dulac auf den ersten Blick beinahe nicht erkannt hätte.
Es war Sean. Sein Haar war vom Wind zerzaust und voller Schnee und hier und da hatte sich Eis in seinem Bart
und dem schweren Fellmantel gebildet, den er komplett
zugeknöpft hatte. Sein Gesicht war vor Kälte gerötet und
sein Atem erschien als rhythmische Folge kleiner grauer
Dampfwölkchen vor seinem Gesicht. Bei seinem Begleiter
handelte es sich um Patrick, aber Dulac glaubte hinter der
offen stehenden Tür mindestens noch einen weiteren
Schatten zu erkennen und er vermutete, dass irgendwo
dort draußen ihre beiden anderen Brüder und ihr Onkel
Wache hielten.
»Mylady. Junger Herr.« Sean deutete eine spöttischübertriebene Verbeugung an und schaffte es irgendwie, sein
vor Kälte halberstarrtes Gesicht zu einem Lächeln zu
zwingen. Aber seine Augen blieben so kalt wie das Eis in
seinem Haar. »Wolltet ihr einen kleinen Spaziergang machen? Davon würde ich euch abraten. Das Wetter ist nicht
besonders gut und ich habe mir sagen lassen, dass sich
üble Gestalten in der Gegend herumtreiben.«
»Was fällt dir ein?«, herrschte Gwinneth ihn an. »Du
wirst sofort …«
»Halt den Mund«, sagte Sean. Er sprach nicht einmal besonders laut und auch nicht in scharfem Ton, doch Gwinneth verstummte trotzdem mitten im Satz und starrte den
Iren zugleich fassungslos und schockiert an.
Sean lächelte immer noch, aber auch dieses Lächeln
wirkte plötzlich kalt, eher eine Miene mühsam unterdrückter Wut als irgendetwas anderes. Er machte einen Schritt
zur Seite und bedeutete seinem Bruder mit einem Wink,
die Tür zu schließen. Patrick gehorchte und mit dem Heulen des Sturmes beruhigte sich nun auch das Flackern des
Windlichtes, sodass der Stall nun nicht mehr von unzähligen, hin und her huschenden Lichtreflexen erfüllt, sondern
halbwegs vernünftig ausgeleuchtet war.
»Nun?«, fragte er. »Ich höre!«
»Und ich dachte, wir wären vorsichtig gewesen«, sagte
Dulac enttäuscht.
»Das wart ihr«, antwortete Sean. »Und um ehrlich zu
sein bin ich froh, dass ihr nicht noch vorsichtiger wart. Ich
bin fast erfroren, während ich draußen auf euch gewartet
habe. Das war sehr dumm von euch.«
»Was soll das heißen?«, begehrte Gwinneth auf. Sie
warf einen Hilfe suchenden und zugleich auffordernden
Blick in Dulacs Gesicht, aber er konnte nur mit einem
Schulterzucken darauf antworten. Er war nicht einmal
wirklich enttäuscht. Irgendwie war es, als hätte er tief in
sich drinnen geahnt, dass es nicht gut gehen würde.
»Was fällt dir ein?«, fuhr Gwinneth fort. »Wir haben uns
entschieden zu gehen. Willst du uns etwa daran hindern?«
»Und wenn es so wäre?«, erkundigte sich Sean.
»Das wäre
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