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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ablenken und euch so genug
Zeit verschaffen, um Tintagel zu erreichen.« Er machte
eine Kopfbewegung in Richtung Waldrand. »Es ist nicht
mehr weit. Kaum mehr als eine Meile. Wenn ihr schnell
genug seid, könnt ihr es schaffen.«
Sean wollte erneut widersprechen, doch diesmal ließ
Lancelot das Einhorn mit einem so harten Ruck antraben,
dass der Ire den Zügel loslassen musste, ob er wollte oder
nicht, schwenkte zum Waldrand ein und brach rücksichtslos durchs Unterholz. Das Geräusch zersplitternder Äste
klang in seinen Ohren wie Peitschenhiebe, die noch auf
der anderen Seite des Hügels zu hören sein mussten, und
der Wind schien noch einmal kälter geworden zu sein. Das
Einhorn schnaubte unruhig und warf nervös den Kopf hin
und her, denn anders als sein Halter brannte es darauf, sich
in den Kampf zu stürzen.
»Nur einen Moment noch«, flüsterte Lancelot. »Hab
noch ein wenig Geduld.«
Das Einhorn schnaubte, als wolle es widersprechen, und
hinter ihm sagte eine leise, traurige Stimme: »Wolltest du
nicht einmal Lebewohl sagen?«
Lancelot fuhr wie unter einem Hieb zusammen. Sein
Herz begann zu rasen und er war nur noch eine Winzigkeit
davon entfernt, einfach loszupreschen, nur um sich nicht
umdrehen und Gwinneths Blick standhalten zu müssen.
Als er sich schließlich im Sattel umwandte, knirschte seine
Rüstung, als hätte auch sie sich mittlerweile zu Eis verwandelt.
Gwinneth hatte den Mantel abgestreift, in dem sie geschlafen hatte, und stand bleich und zitternd vor Kälte nur
in ihrem dünnen Kleid hinter ihm am Waldrand. Der
Sturm zerrte an ihrem Haar. »Was hast du vor?«
»Geh zurück«, sagte Lancelot ohne ihre Frage zu beantworten. Wozu auch? »Patrick und Sean werden dich sicher
nach Tintagel bringen.«
»Und du?« Gwinneth wartete seine Antwort nicht ab,
sondern kam mit schnellen Schritten auf ihn zu und streckte die Hand nach dem Zaumzeug aus. Das Einhorn warf
erschrocken den Kopf zurück und tänzelte einen Schritt
zur Seite, bevor Lancelot es mit einem schon fast gewaltsamen Ruck am Zaumzeug beruhigen konnte.
»Wolltest du dich einfach davonschleichen?«
»Ich hatte nicht vor …«, begann Lancelot, wurde jedoch
sofort und in noch schärferem Ton von Gwinneth unterbrochen.
»Ich weiß genau, was du vorhattest«, sagte sie. »Aber
das lasse ich nicht zu. Du wirst nicht dein Leben wegwerfen um den Helden zu spielen.«
»Gwinneth, bitte«, murmelte Lancelot. Ihm war klar,
dass sie diese Worte ganz bewusst gewählt hatte um ihn zu
verletzen, vielleicht auch um ihn wütend zu machen. Doch
er empfand nur Schmerz, Trauer und eine Spur von Zorn,
der aber nicht Gwinneth galt, sondern dem Schicksal, das
sich nun einen allerletzten bösen Streich mit ihm erlaubte
und seine letzte Erinnerung an Gwinneth zu der an einen
Streit werden ließ.
»Es gibt keinen anderen Weg mehr«, sagte er leise. »Du
musst nach Tintagel. Nur dort bist du sicher. Und du weißt
das.«
»Sicher?« Gwinneth schrie fast. »Sicher wozu? Und für
wen? Ich lasse nicht zu, dass du dein Leben opferst, nur
um mich zu retten. Hast du schon vergessen, was wir uns
geschworen haben? Ganz egal was geschieht, wir werden
es zusammen durchstehen.«
Lancelot schwieg. Er konnte nicht antworten. Gwinneth
hatte Unrecht und sie wusste es. Sie hatten nicht mehr die
Chance, dieser Gefahr gemeinsam Herr zu werden. Die
einzige Wahl, die ihm blieb, war allein zu sterben oder
zusammen mit Gwinneth. Aber ihm war klar, wie sinnlos
es gewesen wäre, das auszusprechen.
Noch während er vergeblich nach Worten suchte, teilte
sich das Unterholz hinter Gwinneth, und Sean trat heraus.
Er wirkte bestürzt, ein wenig verwirrt und auch erschrocken und er stürmte zwei Schritte weit in den Schnee
hinaus, ehe er abrupt stehen blieb und Gwinneth mit einer
Mischung aus Erleichterung und neuerlichem Schrecken
ansah.
»Geh mit Sean zurück«, bat Lancelot. Er hatte nicht die
Kraft, Gwinneths Blick standzuhalten, sondern starrte an
ihr vorbei ins Leere, und er wusste, dass sie sein Gesicht
nicht deutlich genug erkennen konnte, um die Tränen zu
sehen, die in seinen Augen brannten. »Wartet dort auf
mich. Ich werde nachkommen, wenn …«
»Wenn du noch lebst?« Gwinneth lachte schrill. »Wofür
hältst du dich, du größenwahnsinniger Narr?« Sie machte
eine wütende Geste zum Hügelkamm hinauf. »Dort drüben sind zwanzig oder dreißig Krieger, vielleicht mehr!
Was willst du tun? Sie alle erschlagen?«
Statt zu antworten

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