Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
fühlte ihre tastenden langen Beine, schrie laut auf vor Ekel und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Die Maugrim, die Jahanila »Clar’catt« genannt hatte, purzelten wie Maikäfer, die von einem Baum geschüttelt wurden, vor ihn auf Alcarasáns Rücken und schlitterten im Wind über dessen rote Schuppen. Einige flogen sofort wieder auf und hielten auf Alcarasáns Kopf zu.
Enris spürte Schmerz in seiner rechten Handfläche aufflammen. Er stöhnte auf und ballte die Finger zur Faust. Der Clar’catt, der ihn gestochen hatte, strampelte wild, dann ahnte Enris es mehr, als dass er es hörte, wie der Panzer des Maugrim unter dem Druck mit einem Knacken zerbarst. Das Innere seiner Hand fühlte sich nass und warm an. Angewidert schmierte er die Überreste an Alcarasáns Rücken ab. Weiterer Schmerz bohrte sich in seinen Nacken, so brutal, dass der Stachel des Maugrim in Enris’ Vorstellung die Dicke eines Zunderholzes annahm. Hastig wischte er einen der zappelnden Clar’catt von seinen Schultern, aber schon schwirrten die nächsten um ihn herum und versuchten, sich auf ihm niederzulassen. Immer mehr von ihnen landeten auf dem Rücken des Serephin. Sie eilten auf dessen Hals und Kopf zu und stachen mit den Stacheln an ihren Hinterteilen in die Spalten zwischen den roten Hautschuppen. Alcarasán bäumte sich brüllend auf. Beinahe hätte er Enris, der sich krampfhaft mit seiner unverletzten Hand an ihm festhielt, von seinem Rücken geschleudert. Eine kleinere Wolke zog über den Kopf des Serephins hinweg, um Jahanila einzuholen, die ihm immer noch vorausflog. Enris’ rechte Hand schwoll an. Die Schmerzen des Stichs pochten wie Hammerschläge. Überall um ihn herum wirbelten und summten die Maugrim. Er zog seinen Kopf ein und schloss die Augen, während er sich weiter mit einer Hand festhielt und wild mit seinem verletzten Arm um sich schlug, um die insektenartigen Angreifer davon abzuhalten, sich auf ihm niederzulassen. Doch es waren zu viele. Sie krabbelten über sein Haar, sein Gesicht, über Hände und Schultern. Am liebsten hätte er aus voller Kehle aufgeheult vor Angst und Abscheu, aber er wagte es nicht, den Mund zu öffnen. Weitere Stiche flammten heiß auf seinen Armen und seinen Wangen auf, als würde flüssiges Blei auf ihn herabspritzen. Er ächzte hilflos und verzweifelt mit zusammengepressten Lippen. Nur undeutlich drang durch die pochende Wand aus Schmerzen um ihn herum Alcarasáns Brüllen an ihn heran. Der Serephin schwankte, wie von einer heftigen Windbö erfasst. Die dunkle Wolke aus insektenartigen Maugrim hatte sie völlig eingehüllt.
JETZT! , donnerte Alcarasán seinen gedanklichen Befehl an den Lamazhabin in dem Turmzimmer. Senk den Schutzwall!
Umgeben von Tausenden zornig summender Clar’catt stürzten die beiden Serephin auf die unsichtbare Barriere hinab.
2
Pándaros hätte nicht sagen können, wann er jemals ein so anhaltend schlechtes Wetter erlebt hatte. Seitdem Deneb und er an der Fährstation beinahe getrennte Wege gegangen wären, hatte der Himmel alle Schleusen geöffnet. Die Götter schienen bestrebt, den Steppen von Ceranth alles an Wasser zukommen lassen zu wollen, was über diesen Teil Runlands hauptsächlich in den Wintermonaten herabregnete.
Trotz dieses nicht enden wollenden Wolkenbruchs hatten die beiden Priester keine Rast eingelegt. Einerseits drängte es sie, voranzukommen. Andererseits hätte sich sowieso kein Dorf in der Nähe befunden, in dem sie einen trockenen Platz zum Verweilen hätten suchen können. Schon das östliche Haldor, das sie auf dem Lilin bis Incrast durchquert hatten, war eine nur gering bevölkerte Gegend gewesen. Nun aber waren sie auf dem Fluss nach Ceranth vorgedrungen, ein weites, hügeliges Grasland, das keinerlei Siedlungen kannte außer den Zelten der Nomaden, die hier Schafe und Pferde züchteten. Der ständige Regen über dem Fluss versperrte ihnen die Sicht auf das Landesinnere. Alles in größerer Entfernung als etwa hundert Fuß war in einen dunstigen, grauen Schleier gehüllt. Dass sie überhaupt vorwärts kamen, sahen Pándaros und Deneb nur daran, dass der Lilin immer wieder in Biegungen verlief. Sie mussten regelmäßig ihr Boot ausschöpfen, um nicht knietief im Regenwasser zu sitzen, und sogar der Inhalt ihrer Rucksäcke war inzwischen feucht geworden. Nur ihr Zunderkästchen war noch immer trocken, weil sie peinlichst darauf achteten, es geschlossen zu halten und in ein Wachstuch einzuwickeln. Ein wärmendes Feuer
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