Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
Stacheln in die Augen bohren, bis diese zu blutigem Eidotter anschwellen und klebrig auf deine Wangen herunterrinnen, und wenn ...
Um die Stimmen zum Schweigen zu bringen, biss er so hart die Zähne aufeinander, dass er glaubte er würde sich den Kiefer brechen. Sie verstummten, doch das zornige Summen schwoll lauter und lauter an.
Die beiden Serephin hielten weiter auf die Stadt in der Ferne zu. Unter ihnen hatte die verbrannte Steppe dem ansteigenden Hügelland Platz gemacht, das von weitem zu sehen gewesen war. Noch immer trennten sie mehrere Meilen von der kreisförmigen Grenze des Schutzwalls, hinter der üppiger Pflanzenwuchs und hoch aufragende Bäume die Hügel bedeckten.
Alcarasán hatte seine Augen geschlossen. Während er mit aller verbliebenen Kraft seine Schwingen schlug, schoss sein Geist vorwärts, Mehanúr entgegen und auf einen schlanken, aber ungewöhnlich hohen Turm in der Mitte der Stadt zu. Im Gegensatz zu den meisten anderen Türmen stand er ohne verbindende Brücken zu Nachbargebäuden. Sein Verstand glitt an der hell schimmernden Außenfassade empor, vorbei an zahllosen Fenstern, und schnellte auf eines von ihnen zu, das die letzte Maueröffnung vor der abgerundeten Spitze des Turms darstellte.
Als sein Geist ins Innere des Raumes drang, öffnete in dessen Halbdunkel ein Serephin ruckartig seine golden schimmernden Augen. Er hatte auf einem thronartigen Stuhl aus blaugrau marmoriertem Stein gesessen, so reglos und still, dass ein Beobachter hätte meinen können, er wäre ein steinernes Abbild, von einem begnadeten Künstler mitsamt seines Throns aus einem einzigen Block herausgehauen.
Er war sehr alt, einer der wenigen Serephin, denen anzumerken war, dass er zu jenen gehörte, denen in der Morgendämmerung der Schöpfung noch von den Göttern selbst das Leben geschenkt worden war. Davon zeugten die glanzlosen Schuppen seines Körpers, deren braune Farbe verblasst war. Noch mehr aber verriet die ihn wie einen Mantel umhüllende Stimmung von unerschütterlicher Gelassenheit, wie viele Äonen er schon verstreichen gesehen hatte. Selbst in einer so verzweifelten Lage wie dieser, belagert und mit dem Tod bedroht, blieb er achtsam und verlor nicht den Mut.
Jetzt vernahm er eine Stimme in seinem Geist. Jemand aus seinem Volk näherte sich über das wüste Land dem Schutzwall und schrie ihn aufgeregt an, diesen auf sein Zeichen hin für einen kurzen Moment zu heben.
Der alte Serephin überwachte die magische Barriere, seitdem die Maugrim begonnen hatten, den verfluchten Wind zu schicken. Er gehörte zu den Gründern von Mehanúr, der einzige Lamazhabin unter den Serephin aus Nurdupal, die ihrer Heimat den Rücken gekehrt hatten, um sich in Galamar niederzulassen. Allein seine Kräfte waren stark genug, um die Magie der anderen Serephin zu bündeln und der Aufrechterhaltung des Schutzwalls zukommen zu lassen. Es kam noch immer vor, dass einige tollkühne Krieger Mehanúr verließen, um die letzten entlegenen Siedlungen der Temari nach Überlebenden abzusuchen. Wenn sie sich der Barriere näherten, war es die Aufgabe des Lamazhabins in dem Turm hoch über den Dächern Mehanúrs, für einen winzigen Augenblick die Magie des Schutzwalls auszusetzen. Die Krieger eilten über die Grenze, und die Barriere wurde sofort wieder undurchlässig gemacht.
Der alte Serephin stutzte kurz, als er die drängende Stimme in seinem Verstand vernahm. Er glaubte, dass es sich um die des Bewahrers handelte, jenes jungen Kriegers aus Gotharnar, der Alcarasán genannt wurde. Aber das konnte nicht sein. Der Bewahrer hatte ihn erst vor kurzem hier in seinem Turmzimmer aufgesucht. Doch nun war keine Zeit, darüber nachzugrübeln. Beinahe alles, was er an Kraft entbehren konnte, diente der Magie des Schutzwalls. Er sammelte sich für den Moment, da er die Barriere senken würde.
Das Summen hatte eine Lautstärke erreicht, die selbst das Rauschen des Windes in den Hintergrund drängte. Gleichzeitig nahm das Restlicht des Tages abrupt ab. Enris warf den Kopf in den Nacken und sah, dass der wolkenförmige Maugrimschwarm sie eingeholt hatte und sich langsam auf Alcarasán und ihn herabsenkte. Nun konnte er die Wesen, die etwa zwei Finger lang waren, genauer erkennen. Es waren Tausende und Abertausende, etwas dicker als Libellen, mit dünnen schwarzen Fühlerpaaren an ihren Köpfen, die beinahe halb so lang waren wie ihre bleigrauen Körper. Ihre Flügel flirrten auf ihren Rücken. Eine Handvoll landete auf Enris’ Kopf. Er
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