Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
Temari!«, donnerte der Serephin. »Weißt du nicht, dass der Innere Ring euch verboten ist?«
»Das … das hatte ich vö- … völlig vergessen«, stotterte Enris.
Grimmig funkelte der Serephin ihn aus seinen goldenen Augen an. »Wenn ich mit dir fertig bin, kleiner Mann, wirst du es nicht mehr vergessen, verlass dich darauf.«
Betont langsam hob er seine Klauenhand, um sie Enris über das Gesicht zu ziehen. In Panik versuchte dieser, seinen Kopf wegzudrehen. Dabei fiel sein Blick auf den Griff eines Dolches, der in einer Scheide aus dunklem Leder am Gürtel des Serephins baumelte. Seine Hand schnellte vor und zog ihn heraus. Der überrumpelte Serephin, der von einem Temari keinen Widerstand erwartet hatte, hielt in seinem Schlag inne, um Enris’ Arm zu packen, aber es war bereits zu spät. Die Klinge fuhr tief in seinen rechten Schenkel und wieder heraus. Brüllend ließ der Serephin Enris los, der immer noch den Dolch umklammerte. Der junge Mann taumelte und wäre fast gestürzt, aber eine blasse Hand packte ihn am Arm und gab ihm Halt.
»Hier hinauf!«, schrie Neria. Sie hielt ihn fest und half ihm dabei, sich mit seiner freien Hand hochzuziehen. Keinen Augenblick zu früh zog er seine Beine über den Rand des Podestes. Die Klaue des Serephin fuhr um Haaresbreite an seinem Fuß vorbei. Flink wie eine Katze kletterte Neria an der sich drehenden Säule in der Mitte des Podests empor.
Enris folgte der Wolfsfrau. Er zog sich an den von der Säule ausgehenden Stangen hoch, als wären es die Sprossen einer Leiter. Um ihn tobte der Lärm, der von den miteinander kämpfenden Serephin und Reshari ausging. Doch er vernahm noch ein anderes Geräusch – das hasserfüllte Fauchen des verletzten Kriegers, der sich trotz seines blutenden Beins auf das Podest gezogen hatte. Dunkle Tropfen fielen auf den weißen Stein herab. Der Serephin war so sehr damit beschäftigt, Enris einzuholen, dass er seine Verletzung kaum beachtete. Seine Augen suchten Enris, der durch die Drehung des Podestes gerade wieder in seine Blickfeld geriet. Sofort schossen seine Hände vorwärts. Eine graue Kugel wie eine kleine Sturmwolke kreiste zwischen seinen Handflächen. Enris zuckte zusammen und hätte beinahe seinen Halt auf dem Podest verloren. Es war zu spät, in Deckung zu gehen.
Mit einem markerschütternden Schrei schleuderte der Serephin die Kugel dem verhassten Temari entgegen.
7
Es war beinahe völlig dunkel im Callab. Dämmerung hatte sich über die Steppe gesenkt. Das schwindende Tageslicht, das über das Loch in der Decke des kreisrunden Raumes ins Innere fand, erhellte kaum die Wände. Nur die beiden Kerzen auf dem Altar im Norden spendeten ihr warmes Licht. Ihre Flammen glänzten auf Denebs Stirn, der sich mit geschlossenen Augen vor der Bettstatt des kranken Nomadenjungen niedergelassen hatte. Am Kopfende des Bettes saßen Watanja und Ricónda, auf der anderen Seite hockte Pándaros wie sein Ordensbruder im Drachensitz auf dem mit Fellen ausgelegten Boden. Ansonsten war das geräumige Zelt leer. Der Yasgürai hatte alle fortgeschickt und seinen Wachen befohlen, sich vor den Eingang zu stellen, um neugierige Blicke fernzuhalten.
Angespannt musterte er nun den Archivar, dessen Handflächen auf Eigins Kopf ruhten. Auch Pándaros beobachtete seinen Freund. Er hatte keine Gelegenheit mehr gefunden, mit Deneb alleine zu sprechen und ihm seine waghalsige Idee auszureden. Er kannte das Ritual der Seelensuche. Er hatte zweimal miterlebt, wie Nasca es im Krankentrakt des T’lar- Ordens vollführt hatte, aber er hatte dem Heiler nur zugesehen.
Beide Male war es Nasca gelungen, den Geist eines tödlich erkrankten Priesters aus den anderen Welten zurückzuholen. Die Ordensbrüder erlangten ihr Bewusstsein wieder und hatten sich nach einigen Tagen soweit erholt, dass sie ihre Betten wieder verlassen konnten.
Aber Pándaros war von Fällen berichtet worden, in denen es dem Heiler nicht geglückt war, die verlorenen Seelen wiederzufinden. Sie siechten dahin, ohne noch einmal die Augen zu öffnen, und waren am Ende gestorben. Natürlich war es immer besser, den Versuch zu wagen, als einen Todkranken sterben zu lassen. Aber niemand hatte Nasca jemals mit dem Tod gedroht, für den Fall, dass seine Bemühungen umsonst sein sollten. Verflucht noch mal, Deneb war nicht ausgebildet für diese Art von Ritual!
Aufgeregt fuhr sich Pándaros durch seinen spärlichen Haarkranz und legte sofort wieder seinen Arm an die Seite, als ihm seine
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