Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
beiden Priester mit dem Klang ihrer Stimmen, ohne dass sich diese dagegen wehrten. Ehe die beiden es sich versahen, riss der aus einer Vielzahl von Kehlen rufende Sturm sie mit sich. Erneut schien es Pándaros, als würde er in einer Woge von flüssigem Gold schwimmen, die jeden Winkel seines Geistes mit Freude und Glückseligkeit erfüllte. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass es die Pilze waren, die diesen Zustand hervorriefen. Die Freude, die er empfand, war ein Geschenk, das ihm wieder fortgenommen würde, wenn der Rausch nachließ. So wunderbar und erfüllend die Erlebnisse in diesem Zustand waren, so ernüchternd waren am Tag danach alle Empfindungen. Aus dem Leben waren die satten Farben herausgeronnen, die man während des Rausches wahrgenommen hatte. Die Welt um einen herum war geschrumpft. Als er noch jünger gewesen war, hatte Pándaros mehr als einmal diesen bedrückenden Tag danach erlebt. Heute ging er seltener auf diese Art auf die Reise. Er war inzwischen davon überzeugt, dass die wahre Herausforderung beim Essen der Pilze nicht darin bestand, die in jenem Zustand oft beängstigend eindringlichen Erlebnisse auszuhalten, sondern etwas von dem überfließenden Glücksgefühl in das Leben ohne die Pilze hinüberzuretten. Das Gefühl des Glücks, das aus der tiefen Verbundenheit mit allem Leben entsprang, war immer um ihn herum vorhanden und wartete darauf, erkannt und erlebt zu werden. Das durfte er niemals vergessen. Außerdem hatten sie eine Aufgabe. Sie mussten ...
Was mussten sie noch mal?
Und wie lange tanzten Deneb und er eigentlich schon zwischen den Blättern dieser riesigen Baumkrone?
Erst jetzt, als ihm diese letzte Frage durch den Kopf schoss, fielen ihm die weit verzweigten Äste auf, lang wie Festbäume zu Vellardin und dick wie die Stämme der massigsten Eichen, die er jemals erblickt hatte. Ein wahrer Irrgarten aus breiten herzförmigen Blättern und Zweigen umgab ihn, aber ohne ihm ein Gefühl von Eingesperrtheit zu vermitteln – im Gegenteil. Trotz des verwirrenden Dickichts dieser ungeheuren Baumkrone, in der er schwebte, fühlte er sich frei. Ein warmer, sommerlicher Wind brachte die unzähligen Blätter des Baumes zum Rascheln, ein glitzerndes, flüsterndes Verwirrspiel aus Grün und Gold. Irgendwo weit in der Ferne, wo die Blätter am dichtesten wuchsen, war eine dunkle Masse zu erahnen, der Stamm dieses ungeheuren Baumes aller Bäume.
Pándaros legte seinen Kopf in den Nacken, um herauszufinden, wo die Sonne stand, deren Strahlen durch das Astgewirr der Krone schnitten. Aber er konnte jenseits der äußersten Zweige nichts erkennen als tiefe Schwärze. Der Baum selbst schien das warme, sommerliche Licht und den angenehmen Wind hervorzubringen. Jedes einzelne Blatt leuchtete und flüsterte, als sei es von schier übersprühendem Leben erfüllt.
Der Priester sah sich nach seinem Freund um. Denebs Geistkörper trudelte schräg über ihm um eine Wolke aus goldenen Funken herum und sang aus vollem Hals mit ihnen ein Lied, das aus den letzten Zeilen eines alten Reimes bestand.
Frau Sonne scheint mir ins Gesicht,
Da brauch ich meine Jacke nicht.
Was bin ich froh, was bin ich froh
Dass endlich wieder Sommer ist!
Die Stimmen der Reisepilze kreischten vor Freude und wiederholten die letzten beiden Zeilen wie Kinder, die sich nicht mehr an ein ganzes Gedicht erinnern konnten, dafür aber die Teile, die sie noch wussten, mit um so größerer Inbrunst krähten. Deneb prustete beim Anhören vor Lachen und fiel dann lauthals mit ein.
Was bin ich froh, was bin ich froh
Dass endlich wieder Sommer ist!
Was bin ich froh, was bin ich froh
Dass endlich wieder ...
Deneb!, drängte sich Pándaros, der zu der Gruppe hingeschwebt war, in den Geist seines Freundes. Lass es gut sein. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen.
Stör ihn nicht, nein, nein! , beschwerten sich die Geister der Pilze immer noch lachend. Sing lieber mit uns! Los, eins, zwei:
Was bin ich froh, was bin ich froh –
Hast du vergessen, weshalb wir hier sind? , schrie Pándaros den kleinen Archivar an. Dieser hatte bereits wieder angefangen, sich dem Chor der Stimmen anzuschließen, die den Schluss des Reimes brüllten und dabei zwischen den Ästen des gewaltigen Baumes herumwirbelten. Ohne zu überlegen packte der Priester ihn am Arm. Verdutzt hielt Deneb in seinem Singsang inne. Pándaros war überrascht, dass er den Geistkörper seines Freundes fühlen konnte. Ich kann ihn spüren, weil ich es mir einbilde , durchzuckte
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