Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
die Händchen«, schrie der blonde Mann ihm hinterher. »Wird ihnen bestimmt ein Trost sein, wenn die Maugrim es bis zu unserem Versteck schaffen!«
Glabra antwortete nicht. Die übrigen drängten sich um Enris und Neria.
»Was genau hast du mit dem Öl vor?«, fragte die Frau, die zuvor das Wort erhoben hatte.
»Wir werden es in das Wasser der Zisterne gießen«, sagte Enris entschieden.
»Aber – wenn wir das tun, vernichten wir Mehanúrs gesamten Trinkwasservorrat!«, rief einer der Flüchtlinge erschüttert.
Neria funkelte ihn streng an. »Wen kümmert das jetzt noch! Wenn wir sterben, brauchen wir nichts mehr zu trinken. Und wenn die Stadt den Kampf gegen die Maugrim übersteht, ist sie auf das Wasser in der Zisterne nicht mehr angewiesen.«
Niemand widersprach ihr. Gemeinsam gingen sie den Weg zurück zum Flüchtlingslager, um auf Jahanilas Rückkehr zu warten und die anderen Temari darauf vorzubereiten, dass sie beschlossen hatten, sich zu wehren.
Es gab nun kein Zurück mehr, wie Enris feststellte. So teilnahmslos die Flüchtlinge auch durch ihren langen Aufenthalt an diesem Ort geworden waren, abgeschottet von der Außenwelt und auf die Versorgung durch die Serephin angewiesen, so schnell sprang der Funke des Widerstands von einem zum nächsten über. Einige vorsichtige Stimmen wurden laut, doch diese verstummten schnell, als andere zurückfragten, ob nichts zu tun denn ihre verzweifelte Lage irgendwie verbessern würde. Enris und Neria waren überrascht, wie sehr offenbar manche der Flüchtlinge darauf brannten, sich zu wehren.
»Das hätte ich von denen nicht erwartet«, murmelte Neria Enris zu. Sie beobachtete Glabra. Der kahle Mann stand etwas abseits an einem der Lagerfeuer im vorderen Bereich der Höhle. Er war damit beschäftigt, eindringlich auf drei junge Burschen einzureden, die mit den eifrigen Gesichtern von Jagdhunden, die eine Blutspur gerochen hatten, um ihn herumstanden und es kaum erwarten konnten, Waffen in die Hände zu bekommen. Sie kannte diesen Blick gut genug. »Ich dachte, sie wären schon so abgestumpft, dass sie sich nicht mehr daran erinnern können, was es heißt, für das eigene Leben einzustehen.«
»Einige von ihnen – wie Glabra – sind dazu bestimmt nicht mehr in der Lage«, gab Enris leise zurück, dessen Blick dem ihren gefolgt war. »Aber die meisten haben wohl nur darauf gewartet, dass sie jemand wachrüttelt.«
Neria schnaubte abfällig. »Warten wir es ab, ob ihr Feuer noch genauso heiß brennt, wenn sie dem ersten Maugrim gegenüberstehen.« Sie sah ihn an. »Wie ist es mit dir? Du bist es ebenfalls nicht gewohnt zu kämpfen.«
Er zog sie an sich. Die Wärme ihres Körpers fiel ihm hier im Inneren des kalten Felsens besonders stark auf. Am liebsten hätte er sie nicht mehr losgelassen. »Ich habe eine Riesenangst«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Aber ich werde das tun, was zu tun ist.«
Wie eine wortlose Entgegnung drückte sie ihn noch fester an sich bevor sie ihn wieder losließ.
»Ist das nicht verrückt?«, sagte Enris kopfschüttelnd. »Zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich genau, was ich kann und was ich tun möchte. Ich wusste es nicht, als mir der fremde Mann am Tag vor meiner Abreise nach Felgar eine Geschichte von Margon und Callis erzählte. Ich wusste es nicht, als ich einen Winter lang in einem Lagerhaus in Andostaan arbeitete und mir vorkam wie auf einer einsamen Insel. Und besonders nicht, als wir auf unserer Flucht vor den Serephin von einer Gefahr in die nächste schlitterten.«
»Aber jetzt weißt du es«, stellte Neria fest. Ihre trockene Stimme mit dem harten Akzent hörte sich beinahe belustigt an. Enris nickte. Er wollte noch mehr sagen, aber sie legte ihm sanft die Fingerspitze ihres rechten Zeigefingers auf den Mund. »Dann rede nicht weiter darüber. Tu es, und tu es gut.«
Eine Unruhe entstand hinter ihnen. Sie hoben ihre Köpfe, um eine Gruppe von Flüchtlingen zu sehen, die sich aufgeregt am Höhlenausgang herumdrückte. Als sie näher an sie herantraten, sahen sie Jahanila, die mit schnellen Schritten über den Steinweg durch die Zisterne geeilt kam. Mehrere Serephinkrieger folgten ihr auf dem Fuß. Sie alle waren schwer bepackt.
»Die Schlacht wird jeden Moment beginnen!«, rief Jahanila außer Atem. Sie hatte die Höhle erreicht und setzte neben sich einen Rucksack ab, aus dem mehrere Bögen und Köcher mit Pfeilen herausblickten. »Das Heer der Maugrim hat die Stadtmauern erreicht.«
Ihre Worte luden die Luft im
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