Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
alles andere als ein Schwindler. Er glaubte an das, was er im Begriff war, den Flüchtlingen zu sagen, so wie er in der Gegenwart der Ainsarii an das geglaubt hatte, was er ihnen in seinem hilflosen Zorn entgegengeschmettert hatte. Vielleicht war es das, was den anderen Teil eines Anführers ausmachte, den Teil, den Königin Tarigh mit ›Verantwortung‹ umschrieben hatte.
»Die Waffe, die ich meine, ist unser Verstand«, fuhr er fort, bestrebt, die Kraft, die jene Menschen um ihn herum ihm verliehen, zu bündeln, eine Stimme für sie zu werden, die aussprach, was getan werden musste. Er lächelte der Voronfrau zu. »Neria hier hat mich mit etwas, das sie eben sagte, auf eine Idee gebracht. Mit Muskelkraft und Klingen werden wir die Maugrim kaum besiegen, aber wir haben noch etwas anderes, das wir einsetzen können.« Seine Hand wies auf Glabras blakende Fackel. »Wir haben das Feuer, und wir werden es gegen diese Ungeheuer loslassen, wenn sie versuchen, in die Zisterne zu gelangen! – Jahanila, kannst du uns auf die Schnelle einige Fässer mit Öl herbeischaffen?«
Die Feuerpriesterin nickte. »Das sollte kein Problem sein.«
»Gut, dann beeil dich bitte, damit wir alles noch rechtzeitig vorbereiten können.«
Die Flüchtlinge stierten ihn an, als könnten sie ihren Augen nicht trauen, weil ein Temari einer Serephinfrau einen Auftrag erteilt hatte. Einer trat mit einem zögernden Schritt aus der Gruppe heraus und auf Enris zu – ein junger, strohblonder Mann mit einem langen, bleichen Gesicht. Tiefe Furchen hatten sich in seine Stirn eingegraben.
»Unser Dorf lag in der Nähe eines Waldes«, hob er zu sprechen an. Er räusperte sich geräuschvoll, bevor er so vorsichtig weitersprach, als erwarte er, von den beiden Temari oder der Serephinfrau angegriffen zu werden, wenn er etwas Falsches sagte. »Wir gingen oft im Wald auf die Jagd, ich meine: meine Brüder und ich.« Trauer stahl sich in seinen Blick. »Sie haben es nicht nach Mehanúr geschafft. – Ich kann mit einem Bogen umgehen, wenn ich einen bekomme. Und ich bin mir sicher, dass es noch andere unter uns gibt, die ebenfalls mit Jagdwaffen umgehen können – Spieße, Speere, Bögen und so ...«
Hilfesuchend sah er sich zu seinen Kameraden um. Zwei von ihnen nickten, zwar widerwillig, aber dennoch so deutlich, dass sich seine düstere Miene wieder aufhellte.
»Sehr gut«, freute sich Jahanila. »Ich werde dafür sorgen, dass ihr die Waffen bekommt.« Ohne zu zögern wandte sie sich von den Umstehenden ab und eilte wieder dem Ausgang der Zisterne zu.
»Was redest du da nur«, sagte Glabra kopfschüttelnd zu dem blonden Mann. »Denkst du, mit einem Jagdbogen, wie du ihn kennst, könntest du einen Maugrim aufhalten?«
»Ich müsste nur auf seine Augen zielen«, erwiderte der Angesprochene, dessen Stimme mit jedem weiteren Wort fester erklang. »Das kann ich schaffen – schließlich sind diese Scheusale groß genug.«
»Ich könnte das auch«, meinte ein anderer Mann weiter hinten. »Dazu bräuchte ich einen Kurzbogen wie den, mit dem ich immer Enten erlegt habe. Meistens hab ich mit drei von vier Pfeilen mein Ziele erreicht.«
»Du wirst alle deine Pfeile ins Ziel jagen müssen, wenn du einem wütenden Maugrim gegenüberstehst«, gab Glabra zu bedenken. »Das ist etwas völlig anderes, als aufgescheuchte Enten abzuschießen!«
»Denkst du, ich bin völlig verblödet?«, gab der junge Mann ärgerlich zurück. »Wenn ich nicht sofort beide Augen in diesem hässlichen Schädel treffe, ist es aus. Aber seien wir doch mal ehrlich: Wenn wir uns nicht wehren, ist es genauso aus mit uns. Ich sage, die beiden Neuankömmlinge reden keinen Unsinn. Wir haben tatsächlich angefangen, uns wie Schafe zu verhalten, die darauf warten, dass man sie dorthin treibt, wo der Schlächter sie haben will. Das hört jetzt auf! Wenn ich schon sterben muss, dann will ich wenigstens ein paar von diesen Mistviechern mitnehmen!«
Zustimmende Rufe ertönten aus der Gruppe. Glabra sah sich mit einer Mischung aus Verwirrung und Verärgerung nach ihren Urhebern um, aber da es zu viele waren, gab er seinen Widerstand auf.
»Macht doch, was ihr wollt«, brummte er. »Inzwischen tue ich etwas Sinnvolles. Ich gehe wieder zu den anderen und kümmere mich darum, dass sie nicht vor Angst verzweifeln.« Er stapfte in Richtung des Flüchtlingslagers davon. Der Schein der Fackeln spiegelte sich auf seinem kahlen Hinterkopf, bevor er in den Schatten verschwand.
»Na klar, halt ihnen ruhig
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