Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
beachtet hatte. Sie senkte wieder ihre Stimme. »Er schickt uns in den sicheren Tod! Vielleicht hätte es einen anderen Weg gegeben, als diesen. Woher will der Bewahrer überhaupt wissen, dass der Plan Erfolg haben wird? Wenn er schiefgeht, sind wir völlig umsonst gestorben.«
»Wenn der Plan scheitert, sterben alle in der Stadt«, erwiderte Alcarasán. »Dann spielt es keine Rolle mehr, ob wir uns sinnlos geopfert haben oder nicht. Keiner von uns wird die Temari freiwillig übergeben.«
Die Kriegerin sah zu Boden und seufzte. »Ich wusste, dass du das sagen würdest. Trotzdem: Der Bewahrer ist ein Feigling! Er versteckt sich im Haus des Lukianis hinter seinem Titel und seinem Rang als Befehlshaber der Truppen. Wir sollen für ihn den Sieg erringen, aber wir werden nichts davon haben. Wir werden tot sein. Ich wünschte, er wäre hier bei uns, dann würde ich ihm schon die Meinung sagen!«
»Das glaube ich dir gern«, gab Alcarasán zurück. »Du hast es gerade getan.«
Für einen Moment warf er seine Tarnung ab und zeigte der Frau neben sich sein wahres Aussehen, das jeder in der Stadt kannte. Als er die Überraschung auf ihrem Gesicht wahrnahm, legte er schnell einen Finger auf den Mund und legte wieder den Tarnzauber um sich.
Ihr! , vernahm er leise die Stimme der Serephinkriegerin in seinem Geist, während diese wieder geradeaus blickte. Sie hatten das verschlossene Tor nun beinahe erreicht. Was bei den Drachen von Chaos und Ordnung macht Ihr hier? Solltet Ihr nicht den Truppen befehlen, damit die Falle zuschnappt wie geplant?
Das wird sie, dafür ist gesorgt , entgegnete er ihr in Gedanken. Wenn du wissen willst, was ich hier mache: Ich habe beschlossen, euer Schicksal zu teilen, wie du es verlangt hast – und du bist nicht die Einzige. Warum auch nicht? Schließlich habe ich es zu verantworten. Ich bin noch nicht alt genug, um meine Erinnerungen in der Samjerna wiederzuerlangen. Wenn dieser Tag zu Ende geht, werde ich ebenso fort sein, wie die meisten von euch.
Die Kriegerin schüttelte auf seine lautlosen Worte hin im Gehen ihren Kopf, als wollte sie eine lästige Fliege vertreiben.
Das habe ich nicht so gemeint. Ich war wütend. Ihr könnt doch Euer Leben nicht wegwerfen – Ihr seid der Bewahrer!
Was ich getan habe, um diesen Titel zu verdienen, gab Alcarasán entschieden zurück, war ebenso Euer Verdienst wie meiner. Es ist nur gerecht, wenn mich die Folgen meines Plans ebenso ereilen wie euch.
»Ich wünschte, wir wären beide nicht hier«, murmelte die Kriegerin, wieder in eine leise Unterhaltung wie zuvor verfallend. »Ich habe solche Angst, dass ich kaum weiß, wie mich meine Füße vorantragen. Das ist doch alles Irrsinn. Wie konnte es überhaupt so weit kommen! Denkt Ihr wirklich, dass die Temari das wert sind?«
Alcarasán zögerte. Noch vor kurzem hatte er im Auftrag von Terovirin und Ranár dafür sorgen sollen, alle Temari in Runland zu vernichten. Es war nicht nur seine Aufgabe gewesen, er hatte es auch gewollt .
Aber dann hatte sich so vieles, an das er bisher geglaubt hatte, als Lüge herausgestellt. Melar und die Götter der Ordnung züchteten im Geheimen Maugrim, um ihre schwächer werdende Macht wieder zu festigen. Sie spielten ihre kranken Spiele, bei denen Hass und Verrat zu jedem Zug gehörten. Und wofür? Wussten sie es eigentlich selbst noch, oder hatten sich ihre Ränke schon so weit verselbständigt, dass es einzig darum ging, zu gewinnen?
»Es spielt keine Rolle, ob sie es wert sind«, sagte er laut. »Es ist völlig egal, ob sie unsere Schöpfung sind oder nicht. Es ist auch egal, ob sie irgendwann einmal die Herren des Chaos wieder zurück in diese Welt bringen werden oder nicht. Sie sind am Leben, die Maugrim wollen sie töten, und wir werden das nicht zulassen – so einfach ist es.«
»Die Herren des Chaos wieder zurückbringen?«, fragte die Kriegerin verwirrt, und Alcarasán erinnerte sich daran, dass nur die Serephin aus Olárans Umfeld von dem Grund um die Erschaffung der Temari wussten.
»Vergiss es.« Er winkte ab und richtete seinen Blick auf das Tor, dessen breite Bolzen nun von den Wachen mit lautem Knarren zurückgeschoben wurden. »Ich habe auch entsetzliche Angst, glaub mir. Aber wenigstens sind wir nicht allein. Wir gehen zusammen ins Dunkel, und das ist eine bessere Art zu gehen, als es vielen vergönnt ist. Gehen wir, und gehen wir so, dass man sich an uns erinnern wird.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann«, entgegnete die Kriegerin neben ihm.
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