Runlandsaga - Sturm der Serephin
Diener von Lani ihn auf und brachte ihn in die Räume seiner Herrin. Dort wartete diese schon auf ihn. Sie sprach zu ihm: »Es dauert mich, dass den Inkirin, die wir selbst mit freiem Willen versahen, nun durch uns das Ausleben eben jenes freien Willens verweigert werden soll. Euer Wunsch, zu wachsen und zu lernen, ist ehrenhaft und soll unterstützt werden. Doch es muss heimlich geschehen, denn meine Brüder und Schwestern haben ihre Entscheidung getroffen, und nur schwer werden sie davon abzubringen sein. Ich will eurer Volk in der Magie des Schöpferischen Wortes unterweisen. Erwartet in Kürze mein Erscheinen!«
So geschah es, dass Lani, die an ihren Kindern Anteil nahm und ihnen ihren sehnsüchtigen Wunsch nicht verweigern wollte, die Inkirin gegen den Beschluss der anderen Götter unterwies. Sie verwandelte ihre Gestalt in eine aus dem Volke der Inkirin. Mithilfe des Portals in den Tiefen von Carn Calatyr reiste sie in deren Welt. Sie lehrte einigen der mächtigsten Magier der Inkirin das Erschaffen von Wesen, die einen eigenen Willen besaßen und in der Lage waren, zu mehr heranzuwachsen als das, was ihre Erschaffer in ihnen angelegt hatten. Und es heißt, dass es die Inkirin waren, die mit dem Wissen, das sie von Lani erhalten hatten, jene Wesen schufen, die von den Menschen Zwerge genannt werden und die in der Sprache der Erstgeborenen Mahar Meran , jene von den Bergen, heißen.
Diese Heimlichkeit Lanis gegenüber den anderen Göttern pflanzte den Keim des Unheils. Was sie getan hatte, um ihren Kindern dabei zu helfen, die Welt weiter auszugestalten, konnte nicht lange geheim bleiben. Es waren die anderen Götter der Ordnung, die zuerst bemerkten, dass Lani ihnen einen Teil ihres Wesens vorenthielt und sie nicht mehr in allen Dingen ihre Gedanken und Gefühle mitteilte. Sie begannen, sie zu beobachten. Schließlich fanden sie heraus, dass ihre Schwester in die Welt der Inkirin reiste und sie lehrte, was verboten war. Escyn und Sacar stellten Lani zur Rede.
»Weshalb hast du den Beschluss, den wir gemeinsam trafen, gebrochen?«, verlangte Sacar zu erfahren.
»Weil es mich reute, dass unsere eigenen Kinder in dem freien Willen, den wir selbst ihnen gaben, als wir sie erschufen, beschränkt sein sollten«, antwortete Lani. »Dürfen wir wahrhaftig unsere eigenen Kinder daran hindern, zu wachsen? Verkrüppeln wir sie nicht, indem wir sie beschränken?«
Da schwiegen die anderen Götter der Ordnung und senkten die Häupter, denn in ihren Herzen hatte Lani sie für ihre Sache gewonnen. Nacheinander stimmten alle von ihnen zu, den Inkirin ihren Wunsch nach Wissen nicht zu verweigern. Doch sie scheuten sich, dies den Göttern des Chaos zu offenbaren.
»Sie würden es nicht verstehen«, meinten sie. »Die Inkirin sind nicht ihre Kinder. Was können sie schon wissen von dem, was unsere Geschöpfe bewegt, was sie zufrieden macht oder verzweifeln lässt? Außerdem geht es sie nichts an, was wir unseren eigenen Kindern vorenthalten oder gewähren. Es ist nicht ihre Angelegenheit.«
Zu lange schon hatten sie alle sich nicht mehr als Eine Kraft gesehen, die gemeinsam die Welt erschaffen hatte nach Cyrandiths Traum, sondern als einzelne Wesen mit eigenen Wünschen und Zielen. Misstrauen und Vorsicht erwuchsen aus dem Gefühl der Getrenntheit, und sie brüteten großes Unheil aus. Denn es war die Aufgabe der Maugrim, ihre Herren zu beschützen, eine Bestimmung, die sie sehr ernst nahmen. Nur wenig, was in Carn Calatyr geschah, entging ihrer Aufmerksamkeit. Einer der Anführer der Maugrim mit Namen Ashcirizul trat vor die Götter des Chaos und berichtete ihnen von den Reisen ihrer Brüder in die Welt der Inkirin. Ashcirizul war es gewesen, den Ingyrýne wie einen Dienstboten behandelt hatte. Nun sah er seine Zeit gekommen, sich für die erfahrene Beleidigung zu rächen.
»Eure Brüder und Schwestern, die von der Kraft der Ordnung erfüllt sind, lehren hinter eurem Rücken die Inkirin Dinge, die sie nach eurem Ratschluss nicht erfahren sollten«, sagte er. »Werdet ihr es zulassen, dass die Inkirin noch hochmütiger werden, als sie es bereits sind?«
Die Götter des Chaos zeigten sich erschüttert.
»Wir haben uns zu lange mit unserer eigenen Schöpfung beschäftigt«, sagte Vorton bestürzt. »Wir ließen es zu, dass wir blind gegenüber dem wurden, was unsere Brüder und Schwestern der Ordnung planten. Dies darf nicht länger sein!«
»Warum haben sie uns nicht in ihre Pläne eingeweiht?«, rief Sorgyn zornig.
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