Runlandsaga - Wolfzeit
entfernst, und ich ebenfalls, wenn ich dir helfe. Aber du bist mein Freund, so wie Ranár deiner ist. In deinem Zustand werde ich dich nicht allein gehen lassen. Du kannst dich ja kaum auf den Beinen halten!«
Wie um Denebs letzte Worte Lügen zu strafen, erhob sich Pándaros mühsam. Es stimmte, er konnte den kleinen Bücherwurm jetzt nicht zum Hierbleiben überreden. Das musste warten – und er schleunigst verschwinden.
Ohne eine weitere Erwiderung trat er an seinen Schreibtisch und griff sich alles, was ihm in der Eile des Aufbruchs für einen längeren Aufenthalt außerhalb der Ordensgebäude nützlich erschien. Eine Öllaterne und ein Zunderkästchen, etwas Schreibzeug und Papier, sowie einige Silbermünzen, die er im Auftrag von Bendíras für einen Einkauf hatte verwenden sollen. Die beiden Priester hatten schon fast das Zimmer verlassen, als Pándaros innehielt und die Karte von Runland von der Wand über seinem Bett abnahm. Auch sie landete zusammengefaltet in seinem Rucksack.
»Wer weiß, wohin es mich auf der Suche verschlägt«, murmelte er. »Letztendlich könnte sich Ranár überall aufhalten.«
Deneb, der bereits in den Gang hinausgetreten war, erstarrte. Schritte von mehreren Menschen waren zu hören.
»Still!«, zischte er Pándaros leise an und zog ihn in die Dunkelheit auf der anderen Seite des Ganges, wohin das Licht vom Innenhof keinen Weg fand. Die beiden traten hinter eine breite Säule. Vorsichtig beobachtete Pándaros aus seiner Deckung heraus, wie sich mehrere Männer aus der Richtung der breiten Treppe seinem Zimmer näherten. Zwei von ihnen kannte er dem Sehen nach. Es waren Novizen, die zu Heilern ausgebildet wurden. Nasca ging ihnen voran. Ohne vorher anzuklopfen öffnete er die Tür und verschwand in dem Raum. Die anderen folgten ihm.
Hinter der Säule richtete sich Pándaros aus der gebückten Haltung, die er in der unmittelbaren Nähe seiner Verfolger unwillkürlich angenommen hatte, wieder auf. Er deutete zur Treppe hinüber. »Los, verschwinden wir, solange der Gang frei ist!«, flüsterte er.
Deneb schüttelte so energisch den Kopf, dass ihm seine langen, braunen Haare um die Schultern flogen. »Noch nicht«, gab er ebenfalls flüsternd zurück.
Pándaros wollte ihn fragen, was ihn zurückhielt, als die Männer erneut im Eingang zu seinem Zimmer erschienen. Von drinnen vernahm er Nascas Stimme.
»... fehlt Kleidung aus seinem Schrank. Er muss gerade erst aufgebrochen sein.«
Jetzt trat der Heiler wieder aus Pándaros´ Zimmer. Die anderen Priester folgten ihm. Nasca blieb nach einigen Schritten stehen und blickte in beide Richtungen den Gang hinunter, als erwartete er, den eigensinnigen Kranken dort zu sehen. In seinem Versteck hielt Pándaros den Atem an. Der Heiler blickte ihm scheinbar genau in die Augen! Schnell zog er seinen Kopf zurück. Ob sie entdeckt worden waren? Deneb neben ihm stand da wie zu Stein erstarrt.
Nascas Stimme drang zu ihnen herüber. »Dieser verdammte Dickschädel! Ich will gar nicht wissen, was Bendíras dazu sagen wird.«
»Er kann noch nicht weit gekommen sein«, meldete sich einer der Novizen zu Wort.
»Das hoffe ich! Ich habe wirklich Wichtigeres zu tun als Pándaros davon abzuhalten, sich selbst umzubringen. Warum in aller Welt hört eigentlich niemand auf uns Heiler? Denken die Leute, wir reden nur, damit unsere Unterkiefer nicht einrosten?«
»Und was jetzt?«, fragte eine andere Stimme.
»Wir gehen zum Haupteingang. Vielleicht hat der Pförtner ihn vorbeikommen gesehen. Dann wissen wir wenigstens, ob er noch auf dem Gelände oder schon in der Stadt ist.«
Die Schritte entfernten sich in Richtung der Treppe.
Nach einigen Momenten traten die beiden Priester vorsichtig aus ihrer Deckung heraus.
»Wenn wir nicht abgewartet hätten, dann würden sie uns jetzt im Nacken sitzen«, murmelte er. »Wie hast du das nur geahnt?«
Der Archivar grinste verlegen, aber nicht ohne Stolz. »Na ja, weil ich an Nascas Stelle genau dasselbe getan hätte, wenn ich dein Zimmer leer gefunden hätte. Ich wäre zum Haupteingang gelaufen und hätte dem Pförtner die Anweisung gegeben, mich aufzuhalten. – Aber stattdessen gehen wir jetzt in Richtung Küche. Wenn wir durch den Seiteneingang für die Lieferanten gehen, dann fallen wir weniger auf. Und außerdem können wir uns dort noch etwas Wegzehrung mitnehmen.«
Pándaros sah Deneb an, als sähe er ihn in diesem Augenblick, mit seinem gepackten Rucksack auf dem Rücken und in dem dunklen Gang, zum
Weitere Kostenlose Bücher