Runlandsaga - Wolfzeit
lächelte. »Wieso so förmlich, Suvare? Habe ich dich verärgert?«
Suvare sog scharf die Morgenluft durch die Nase ein. Ay, wenn sie es genau betrachtete, dann war sie verärgert! »Warum habt Ihr auf der Versammlung so getan, als würdet Ihr mich nicht kennen?«, wollte sie wissen. »Oh, ich versteh schon«, fuhr sie schnell fort, noch bevor Königin Tarigh etwas erwidern konnte. »Vellardin ist Vellardin, und hinterher ist hinterher. In der Heiligen Nacht kann man sich schon mal mit einer aus dem gewöhnlichen Volk ins Gebüsch rollen, nachts sind schließlich alle Katzen grau. Aber hinterher, wenn es hell wird, hat sie gefälligst wieder zu verschwinden. Raue Haut und abgetragene Kleidung passen nicht in die feine Gesellschaft bei Hof.«
»Suvare, Suvare«, sagte Königin Tarigh ruhig mit einem Kopfschütteln. »Wenn du diesen Eindruck von mir bekommen hast, dann tut es mir leid. Aber ich habe dir niemals etwas vorgemacht. Erinnere dich daran, was ich dir sagte: Unter welchen Umständen wir uns wiedersehen würden, wenn überhaupt, wäre für jene Nacht ohne Bedeutung. Verringere nicht das, was wir erlebt haben, indem du nur noch unser Wiedersehen im Ratsturm vor dir siehst. Ich hatte einen Grund, mich dir gegenüber so unbeteiligt zu geben.«
»Was für einen Grund?«, fragte Suvare erschüttert, weniger über Königin Tarighs Worte als über die Heftigkeit ihres Ausbruchs.
»Wenn ich mir hätte anmerken lassen, dass ich dich kenne, dann hätte ich bei eurer Anhörung mit noch mehr Widerständen zu kämpfen gehabt, als ohnehin schon. Ich habe keinen leichten Stand im Rat. Selbst diejenigen, die mich und meine Krieger um Unterstützung baten, wären mich lieber heute als morgen los, weil ich ihnen zu viele Anhänger unter dem Volk habe, und sie Menelon schon unter der Herrschaft von Burg Cost sehen. In einer Versammlung des Ratsturms würde ich meinen eigenen Vater nicht anders behandeln als dich. Die Götter wissen, wie schwierig es war, die Ältesten zu überzeugen, meinen Hauptmann und darüber hinaus noch zwei seiner besten Männer als Begleitung für diese Fahrt mitzuschicken!«
»Wusstest du, wer ich war, als wir uns in der Vellardinnacht über den Weg liefen?«
Königin Tarigh schüttelte den Kopf. »Anfangs nicht. Erst als du mir davon erzähltest, dass du Khor eines Schiffes bist, habe ich eins und eins zusammengezählt. Aros hatte mir von euch berichtet. Als er dich hereinführte, wusste ich bereits, wen ich gleich vor mir haben würde.«
Sie drehte sich zu ihren Begleitern um, die in einigem Abstand hinter ihr standen. »Lasst uns alleine!«, rief sie. »Wartet am Ende des Piers!«
Wortlos drehten sich die Gestalten um. Der Schein ihrer Fackeln nahm ab, als sie sich zurückzogen. Königin Tarigh wandte sich wieder der rothaarigen Frau vor ihr zu, die ihr beinahe an Größe gleichkam. »Ich wollte dich nicht fortlassen, ohne dich noch einmal gesehen zu haben.«
In Suvares Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander. Was sollte sie von all dem halten? Die Herrin von Burg Cost hatte sie behandelt wie einen Stein auf einem Dreynbrett, um den Rat dorthin zu steuern, wo sie ihn hatte haben wollen. Selbst jetzt tauchte sie im Schutz der Nacht bei ihr auf, so wie es einen verheirateten Mann heimlich in ein Bordell zog. Und doch war sie nun hier. Sie wollte sich von ihr verabschieden.
Suvare war nie eine Frau gewesen, die lange überlegte. Wenn in ihr wie jetzt ein Sturm an widerstreitenden Gefühlen tobte, dann tat sie einfach das, was ihr gerade in den Sinn kam. Ob es falsch oder richtig sein mochte, war für sie zweitrangig, wenn es nur das lähmende Grübeln beendete.
Sie trat auf Königin Tarigh zu und schloss sie in die Arme. Die beiden Frauen standen eine Weile wortlos umschlungen im ersten Dämmerschein des neuen Tages.
»Gib auf dich acht«, murmelte Königin Tarigh schließlich, kaum zu vernehmen für Suvare, den Mund in ihren dichten, roten Haaren vergraben. »Mach dich auf den Weg nach Burg Cost, wenn du von den Arcandinseln wieder zurückkommst. Dann finden wir vielleicht gemeinsam heraus, ob hinterher wirklich hinterher ist.«
Suvare antwortete nicht sofort. Die Zukunft erschien ihr ungewisser als je zuvor, ein dunkles Wasser wie das Sonnenlose Meer selbst.
»Sei auch du vorsichtig«, flüsterte sie schließlich. Sie löste sich aus der Umarmung mit Königin Tarigh, hielt aber für einen Moment weiter deren Hände fest in den ihren. »Die Straße ins Regenbogental ist nicht
Weitere Kostenlose Bücher