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Runlandsaga - Wolfzeit

Runlandsaga - Wolfzeit

Titel: Runlandsaga - Wolfzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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von ihnen hatten bis vor wenigen Momenten geschlafen, wie ihre verquollenen Augen verrieten.
    Shartans Blick dagegen war trotz der weit in die Nacht vorgerückten Stunde hellwach. Mit schnellen Schritten kam der riesige Mann heran. Seine hellen Augen blickten auf Enris’ blutverschmiertes Gesicht herab. »Dich kenne ich«, sagte er nachdenklich.
    »Er war an den Weißen Klippen!«, mischte sich Cass eifrig ein. Shartan fuhr herum. Sein Handrücken klatschte laut in das Gesicht des Piraten, der mit einem überraschten Schmerzensschrei zurücktaumelte. Verärgert blitzte ihn der Anführer der Bande an. »Pass auf dein vorlautes Maul besser auf! Ich wollte selbst darauf kommen.«
    Der Kleine betastete seine aufgeplatzten Lippen, während die Männer um ihn herum grinsten. »Tut mir leid«, nuschelte er.
    »Er kam von den Klippen und wollte zum Strand hinunter schleichen«, erklärte Marva. Seine Stimme klang vorsichtig und überlegt. Offenbar wollte er sich nicht ebenfalls einen Hieb einfangen. »Ich hab ihn gleich zu dir gebracht. Wer weiß, wen er noch alles im Schlepptau hat.«
    »Das hat uns noch gefehlt«, rief einer der Umstehenden, ein alter Mann mit langen, weißen Haaren. »Am Ende sind es die Handelsstädte leid, ihre Schiffsladungen zu verlieren, und sie haben sich gegen uns zusammengerottet.«
    Seine Worte verfehlten nicht ihre Wirkung. Mehr als nur einer drehte sich besorgt um, als vernähme er die stampfenden Schritte eines Heeres, das geradewegs über den Strand auf sie zumarschierte.
    Shartan aber schüttelte nur den Kopf. »Nein, von den Handelsstädten droht uns keine Gefahr«, brummte er verächtlich. »Solange wir es nicht übertreiben und uns immer nur hin und wieder ein Schiff herauspicken, werden sie nicht die Anstrengung auf sich nehmen, sich zu einem Bündnis gegen uns zusammenzuschließen. Bei Bündnissen muss man immer auch zurückstecken, und das schmeckt den fetten Geldsäcken nicht.«
    Langsam schritt er um Enris herum, der sich bemühte, stillzustehen und weiter nach vorn zu blicken, als ob er nicht gerade begutachtet würde wie ein zum Verkauf stehender Sklave.
    »Die Frage ist also: Wenn es nicht ein Schiff aus Menelon oder Andostaan ist, mit dem du gekommen bist, wer führt es dann an – und was wollt ihr hier?«
    Doch Enris antwortete nicht. Shartan, der ihn inzwischen einmal umkreist hatte, so dass er ihm erneut in die Augen blicken konnte, sah auch nicht so aus, als ob er eine Erwiderung von ihm erwarten würde. In seinen Augen blitzte es wie Flammen auf, die von einem jähen Windzug angefacht wurden, als er sich selbst die Antwort gab. »Die rothaarige Schlampe!«, donnerte er. »Das Miststück, auf deren Tjalk ihr gefahren seid.«
    Enris konnte ein erschrockenes Blinzeln ob Shartans Ausbruch nicht unterdrücken. Es war sowieso sinnlos, zu leugnen. Der Hecht erinnerte sich an ihn – was lag näher, als eins und eins zusammenzuzählen?
    Als wären der junge Mann, dem das Blut aus seiner Platzwunde über das Gesicht rann, und er die besten Kameraden, legte der hünenhafte Pirat ihm mit einem breiten Lächeln einen Arm um die Schulter. Enris hatte dabei das Gefühl, mit seinem Nacken in einen Schraubstock gesperrt zu werden.
    »Das freut mich aber, dass euer Khor den Weg zu unserer bescheidenen Behausung gefunden hat«, verkündete er. Er dehnte das Wort für Schiffsführer dabei so in die Länge, dass kein Zweifel daran bestehen konnte, wie wenig er von einer Frau als Khor hielt. Gelächter wurde von den Umstehenden laut, aber nur vereinzelt, als begänne hier abschüssiges Gelände, auf dem man schnell ausrutschen konnte. Trotz der misslichen Lage, in der sich Enris befand, reagierte sein Verstand schnell. Der Anführer der Piratenbande hatte es nicht geschafft, eine Mannschaft zu besiegen, die von einer Frau angeführt wurde. Sein Ansehen hatte an den Weißen Klippen gelitten, aber noch wagte niemand, ihm das offen zu zeigen.
    »Wir werden ihr einen heißen Empfang bereiten, nicht wahr, Jungs?«, fuhr Shartan mit erhobener Stimme fort. Jetzt trauten sich einige mehr zu lachen. Der Rest brach in ein Johlen aus, das laut durch die nächtliche Bucht gellte.
    »Keine Sorge, Kleiner, ich werd sie schon nicht umbringen, jedenfalls nicht gleich«, übertönte der Anführer der Piraten seine Männer. »Bestimmt wollen die anderen auch noch ihren Spaß mit ihr haben – mit dem, was dann noch von ihr übrig ist.«
    Immer noch Enris festhaltend drehte er sich und den Gefangenen um und

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