Runlandsaga - Wolfzeit
heilen – ein Vorteil der Verwandlungskräfte eines Serephin.
»Lass mich raten – das war ein Willkommensgruß unseres Gastgebers.« Cesparian hatte seinen Helm abgenommen und begutachtete eine tiefe Delle darin. Wäre er aus einem anderen Metall als Senithar gefertigt gewesen, so hätte der herabstürzende Gesteinsbrocken den Kopfschutz ebenso wie den Schädel seines Trägers eingedrückt.
»Dann sollten wir ihn schnellstens finden«, ertönte Jenasars Stimme aus den Schatten am Eingang. Er klang verhalten, als ließe er sich nur ungern anmerken, wie erschüttert er war. »Ich brenne darauf, seinen Gruß zu erwidern.«
Ohne Verzögerung drangen die Serephin weiter ins Innere des Berges vor. Schon nach kurzer Zeit ließen sie die Haupthöhle, die der Ellern aus den Felsen gewaschen hatte, hinter sich. Manari hatte einen abzweigenden Tunnel entdeckt, der schräg aufwärts führte. Ihre Sinne rieten dazu, diesem Gang zu folgen. Sie näherten sich dem Drachen des Feuers mit jedem Schritt, und sie fühlten sich frisch und ausgeruht, bereit für den Kampf, der vor ihnen lag. Es war richtig gewesen, nach dem langen, Kräfte raubenden Flug in Drachengestalt über die nördlichen Provinzen zunächst eine ausgedehnte Rast einzulegen. Einige Serephinkrieger mit ihrem Wortführer Jenasar hatten sich dagegen ausgesprochen. Sie befürchteten, Zeit zu verschenken, während sie sich von der Erschöpfung erholten, in dieser schwerfälligen Welt Magie zu wirken. Inzwischen konnten sich die Nachrichten von der Ankunft der Serephin in Runland und der Vernichtung des ersten der vier Wächterdrachen bis zu den Endarin herumsprechen. Aber Manari war bereit gewesen, das Wagnis einzugehen. Diese Waldbewohner hatten ihnen nichts entgegenzusetzen. Viel wichtiger war es, dem Drachen des Feuers mit frischer Kraft zu begegnen. Er würde sich nicht als leicht zu schlagender Gegner erweisen. Deswegen hatte sie sich auch dafür entschieden, mit einigen ausgewählten Kriegern in sein Versteck einzudringen, anstatt den Kampf wie bei dem ersten Wächter in ihren Geistkörpern auszufechten.
Der aufwärts führende Tunnel schien kein Ende nehmen zu wollen. Er war so breit, dass man zu zweit nebeneinander gehen konnte. Sein fast schnurgerader Verlauf erweckte den Anschein, als hätte vor langer Zeit ein gewaltiges Beben einen Teil des Berges gespalten, und der Riss würde sich immer weiter bis zum Gipfel fortpflanzen. Die Serephin stiegen schweigend über kleinere und größere Hindernisse, ohne anzuhalten.
Im Vorbeigehen strich Manari mit der flachen Hand über die Tunnelwände. Zuerst hatte sie geglaubt, dass diese deswegen so glatt seien, weil sie aus lange abgekühlter Lava bestünden. Doch bei genauerem Hinsehen dämmerte in ihr der Verdacht, dass dieser Tunnel künstlich angelegt worden war. Das schwarz glänzende Gestein bestand aus Tindar, dem Himmelsmetall. Sie gingen einen Hohlweg entlang, der vor Urzeiten von jenen erbaut worden war, die den Wächter des Feuers erschaffen hatten.
Seit dem Steinschlag beim Betreten des Vulkans lastete wieder Stille auf den Kriegern, schwer wie die Felsmassen über ihren Köpfen. Das einzige Geräusch war das der Stiefel der Serephin auf dem Tunnelboden. Schließlich vernahm Manari Cesparians Gedanken in ihrem Geist, so deutlich, als hätte er das Schweigen mit seiner Stimme gebrochen.
Er erwartet uns. Fühlst du es auch? Er weiß, dass er uns mit Steinschlägen und Erdstößen nicht aufhalten kann. Jetzt sammelt er all seine Kraft für den Kampf.
Sie nickte wortlos.
Völlig unvermittelt hatten die Krieger das Tunnelende erreicht. Der Schlauch mit den Wänden aus Tindargestein öffnete sich zu einem weiten Trichter, der den Blick in eine gewaltige Höhle freigab. Die vorderen Serephin blieben am Rand des Tunnels stehen und sahen in die Tiefe vor ihnen. Ihre Anführerin im Körper eines Menschen schob sich an ihnen vorbei und beugte sich ebenfalls über den Abgrund. Weit unter ihr schimmerte das rötlich glühende Herz des feurigen Berges.
Wir sind am Ziel. Stell dich uns, Wächter – oder wir finden einen Weg hinab zu dir!
Als ob ihre Gedanken vernommen worden wären, nahm das Leuchten in der Tiefe zu. Ein Windstoß fuhr aus dem Abgrund empor und wehte den Serephin seinen heißen Atem in die Gesichter. Einige wichen überrascht zurück. Manari jedoch blieb am Rand des Tunnels stehen. Das Gestein erzitterte, zunächst kaum spürbar, doch schnell zunehmend, wie ein riesiger Kessel mit brodelndem
Weitere Kostenlose Bücher