Runlandsaga - Wolfzeit
lausche er dem nahen Lärm des Wassers. »Ich kann die Nähe des Wächters spüren. Er weiß, dass wir kommen.«
»Sein Wissen wird ihm nichts nützen«, entgegnete Manari hart. »Flucht ist ihm unmöglich. Er ist an den feurigen Berg gebunden, wie der Drache der Luft an den Pfeiler auf den Klippen. Ihm bleibt nur, uns wie ein guter Gastgeber zu erwarten.«
Jenasar schmunzelte grimmig, schwieg aber. Er wandte sich den anderen Serephinkriegern zu und bedeutete ihnen, ihm zu folgen.
Kurze Zeit später hatte die Gruppe den schmalen Gebirgsfluss erreicht. Manari erinnerte sich an den Namen, den sie in Carn Taar auf Margons fleckiger Landkarte gelesen hatte, in roten Lettern neben dem sich blau durch die gezeichnete Gegend ziehenden Band. Ellern. Er verlief, steil aus dem Inneren des Cot´naar herausströmend, Richtung Osten, um sich in den Mondwäldern mit einem weit größeren Fluss, dem Andistar, zu vereinen, der schließlich in den Syrnerilsee mündete.
Das Rauschen des schäumenden Gewässers hallte dröhnend von den Felswänden wider, die sie nun einer nach dem anderen hinabstiegen. Endlich waren sie unten angekommen. Manaris Anspannung wuchs mit jedem Schritt, den sie am Ufer des Ellern entlang auf die Felswand am Ende der Schlucht zuging.
Die Temari, die sie Flammenzungen nannten und sie wie Götter verehrten, hatten sich wenigstens einmal als nützlich erwiesen. Durch sie hatten sie vor zwei Tagen die Aufenthaltsorte von zweien der drei restlichen Wächterdrachen erfahren. Aber jemand musste diesen Dummköpfen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Wo sich der Drache der Erde aufhielt, wussten sie immer noch nicht.
Sie atmete tief die feuchtkalte, dampfende Luft ein, die intensiv nach Fichtenharz roch. Es spielte keine Rolle. Früher oder später würden sie den letzten der Wächter finden. Heute war die Zeit des Feuerdrachen gekommen.
Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, näherte sie sich über mehrere vom Fluss umspülte Felsen dem Eingang zum Cot´naar. Cesparian und Jenasar hielten sich dicht hinter ihr. Manari drückte ihren Körper gegen die Felswand und näherte sich seitlich dem niedrigen, schwarzen Loch, aus dem der Ellern herausrauschte. Als sie mit eingezogenem Kopf in die Dunkelheit trat, flammte dicht hinter ihr ein Licht auf. Über Cesparians ausgestreckter Handfläche schwebte eine leuchtende Kugel und erhellte die Wände der Höhle. Einer nach dem anderen betraten die Serephin ihr Inneres. Das Rauschen des Ellerns, das hier kaum bis zu ihren Knien reichte, hallte laut von den feuchten Wänden wider, die Stimme des lauernden Berges.
Manari ging weiter vorwärts. Abrupt hielt sie inne. Hinter dem dröhnenden Echo des Flusses war noch etwas anderes zu vernehmen. Da war ...
Sie fuhr herum. »Schnell!«, übertönte ihre Stimme die Geräusche des Flusses. »Alle hinein! Der Wächter regt sich.«
Ein dumpfes Grollen übertönte ihre letzten Worte. Woher es kam, war unmöglich zu bestimmen. Der Boden schwankte, als erwache der Berg aus einem langen Schlaf. Alle hielten sich krampfhaft an den Wänden fest, um nicht zu stürzen. Die letzten Serephinkrieger, die sich noch außerhalb der Höhle befunden hatten, hasteten durch das Loch im Felsen. Eine von ihnen rutschte aus und fiel ins Wasser. Sofort watete Jenasar auf sie zu und riss sie hoch.
»Weg vom Eingang!«, schrie Cesparian ihnen zu. Das tiefe Grollen schwoll an. Ein heftiger Stoß brachte die Wände zum Erzittern. Geröll donnerte den Steilhang herab und stürzte vor dem Durchgang ins Flussbett. Die ersten Steine prasselten hart auf die Helme der beiden Serephin, dass sie wie betäubt taumelten und beinahe hinfielen. Gerade noch rechtzeitig sprang Jenasar, der die Kriegerin untergehakt hatte, mit ihr vorwärts in die Höhle hinein, als eine Lawine von größeren Felsbrocken nachfolgte. Schwankend und tropfnass kamen sie wieder auf die Beine, während dicht hinter ihnen weiteres Gestein herabregnete und in den Ellern fiel.
Erst nach einer Weile endete das Beben. Teile der Höhlendecke hatten sich ebenfalls gelöst und waren im Flussbett aufgeschlagen. Manari trat langsam von der Felswand fort, an die sie sich wie die anderen gepresst hatte. Mit angespannter Miene sah sie sich um.
»Ist jemand verletzt?«
Die Krieger musterten einander. Keiner von ihnen hatte so schwere Wunden erlitten, dass sie eine Rast hätten einlegen müssen, um diese zu versorgen. Prellungen und Schürfwunden würden auch im Weitergehen schnell
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