Runlandsaga - Wolfzeit
nassen Kleider haben sich in eine schwere Rüstung verwandelt, die mich einschnürt und jede meiner Bewegungen verlangsamt. Über mir und um mich tobt noch immer der Sturm. Er peitscht die Wellen hoch und droht, mich von dem Überrest der Nesvaal fortzureißen. Meine Rettung treibt genau vor mir im kalten Wasser, aber sie nützt mir nichts. Eine lähmende Schwäche hält meinen Körper im Wasser. Verzweiflung schnürt mir die Kehle zu. Ich spanne die Muskeln in meinen Armen an, nehme all meine Kraft zusammen, die mir noch verblieben ist. Ich hab nur einen Versuch, das weiß ich genau. Ich bin nicht annähernd mehr stark genug, um einen Zweiten zu schaffen. Mit zusammengebissenen Zähnen ziehe ich mich an dem zersplitterten Rand hoch und schaffe es letztendlich, meinen Oberkörper auf die Bretter zu hieven. Erst nach einiger Zeit fühle ich mich dazu in der Lage, mich gänzlich auf das zu wälzen, was für mich mein rettendes Floß geworden ist.
Allmählich nehmen die Wellenberge an Höhe ab. Der Sturm heult weniger heftig. Ich muss mich nicht mehr so krampfhaft festhalten und lasse es zu, dass mich die Erschöpfung übermannt und ich das Bewusstsein verliere.«
Daniro schwieg. Er sah keinen der Umstehenden an, sondern starrte zu Boden.
»Bei allen Geistern«, murmelte Teras in die Stille hinein. Seine hochgewachsene Gestalt in dem schweren Mantel stand wie ihr Schatten hinter Neria. »Ich war noch nie in meinem Leben schiffbrüchig, und die Träumende Cyrandith soll´s verhüten, dass sie mir jemals so ein Schicksal träumt.«
Wie zur Bekräftigung spuckte er über seine linke Schulter hinter sich auf die Planken. Die Gesichtszüge des Bootsmanns lagen im Dämmerlicht verborgen, aber Suvare, die seine betroffene Stimme vernommen hatte, war sich sicher, dass er Daniro nicht mehr so wütend ansah wie noch kurz zuvor.
Er ist ein alter Mann, schoss es ihr durch den Kopf. Der Zorn alter Männer verfliegt so schnell wie der von Kindern. Laut sagte sie: »Aber das war nicht alles, was du uns erzählen wolltest.«
Daniro zögerte kurz, bevor er weiter sprach. »Als ich meine Sinne wieder beisammen hatte, war der Sturm vorüber. Über den Himmel zogen noch immer schwere, graue Wolken, aber die See hatte sich beruhigt. Ich war nicht in das Totenboot gestiegen! Meine Erleichterung nahm noch zu, als ich mich umsah und feststellte, dass ich nicht alleine auf meinem rettenden Floß war. Mir gegenüber lag Jalcar, einer der Seeleute auf unserem Robbenfänger und ein guter Kamerad, mit dem ich bereits in den ersten Tagen an Bord Freundschaft geschlossen hatte.
Gleichzeitig lachend und weinend fielen wir uns in die Arme, überglücklich, dem nassen Tod entronnen zu sein. Dass weit und breit um uns herum kein Land zu sehen war, kümmerte uns in diesem Moment nicht im Geringsten. Wir waren am Leben und zu zweit, was unsere Hoffnungen, das sichere Land zu erreichen, verdoppelte.
Jalcar erzählte mir, dass er sich ebenfalls an einem Stück Treibgut der Nesvaal festgeklammert hatte, um nicht zu ertrinken. Es war aber nur eine abgebrochene Planke gewesen, gerade genug, um sich ohne eigenes Dazutun über Wasser halten zu können. Jalcars größte Angst hatte darin bestanden, irgendwann von Müdigkeit übermannt zu werden und die Planke loszulassen. Schließlich entdeckte er in einiger Entfernung das Dach des Deckaufbaus mit mir darauf und war zu ihm geschwommen. In meiner Erschöpfung hatte ich es nicht bemerkt, wie er sich auf die Bretter geschleppt hatte.
Zunächst waren wir guter Dinge, bald an die Küste von Tirona gespült zu werden. Doch als wir auch am Ende dieses Tages kein Land erspähen konnten, wurde uns allmählich klar, dass wir immer weiter hinaus auf die offene See trieben. Unsere Hoffnung richtete sich nun auf Schiffe, die sich südlich von Tirona hielten. Aber die Möglichkeit, gefunden zu werden, verringerte sich mit jeder Meile, die wir uns weiter vom Festland entfernten. Schließlich bleiben die meisten Schiffe recht nah an der Küste, wenn sie nicht gerade einen größeren Bogen um Riffe machen.
Als es nachts anfing zu regnen, zogen wir unsere Stiefel aus und fingen darin Trinkwasser auf. Am nächsten Morgen gelang es uns zum ersten Mal, mit einer selbst gemachten Angel einen Fisch zu fangen. Wir hatten die Schnur aus dem Zwirn um den Knöpfen unserer Kleidung gefertigt, den Haken aus einer verbogenen Nadel, mit der ich eines meiner Hosenbeine umgeschlagen hatte, und Jalcars Ohrring als glitzernden
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