Runlandsaga - Wolfzeit
offenen Umhang, als wollte er ihn zu größerer Eile antreiben.
Alcarasán folgte ihm, Jahanila neben sich. Sie schritten über kahles Felsgestein und niedriges Gras zurück zu dem Pfad, der zu Carn Taars Klippe führte.
Als sie die Zugbrücke überquerten, traten aus dem Dunkel des Durchgangs zwei Serephin. Beide waren bis auf ihre Helme voll gerüstet. Alcarasán kannte das Metall dieser Panzer. Vor langer Zeit hatte er selbst einmal eine solche Rüstung getragen. Es hieß Senithar, »Sternenschein«, und es war sehr kostbar, denn es gab nur einen einzigen Ort, an dem es zu finden war, die Eiswelt von Cendrast. Aus Vovinadhár verbannte Sträflinge und Sklaven schürften es dort in tiefen Mienen.
Die beiden Serephin waren zu ihnen aufgeschlossen. Das Sonnenlicht funkelte hell auf den zahllosen silbrigen Schuppen ihrer Panzer. Einer von ihnen verneigte sich knapp vor Ranár, bevor er das Wort an ihn richtete: »Wir sind bald bereit für eine weitere Öffnung des Portals. Sollen wir das Fallgitter hochziehen?«
Ranár schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig. Von den Temari haben wir erst einmal keine Bedrohung zu erwarten. Es wird reichen, wenn ihr Wachen am Eingang aufstellt. – Falls ihr mich braucht, ich bin in den Höhlen beim Quelor und überwache die Ankunft der nächsten Gruppe.« Er wandte sich Alcarasán zu. »Diesmal wird jemand kommen, den ich euch selbst vorstellen will. Aber erst einmal möchte ich mit dir allein sprechen.«
Alcarasán wies Jahanila an, zum Quelor vorauszugehen. Dann folgte er Ranár ins Innere der Schwarzen Nadel. Er fragte sich, was Ranár ihm wohl mitteilen wollte. Vielleicht hatte der Kreis der Stürme endlich herausgefunden, wo sich ein weiteres Lager von einem der drei verbliebenen Wächterdrachen Runlands befand. Es waren nun schon einige Tage vergangen, seitdem Jahanila und er in dieser Welt angekommen waren, doch bisher hatte Ranár nicht nach ihrer Unterstützung verlangt.
Die meiste Zeit über waren die beiden Serephin aus dem Orden der Flamme sich selbst überlassen gewesen. Sie hatten sich mit der Anlage von Carn Taar und der Umgegend vertraut gemacht. Auf Temari waren sie nicht gestoßen. Die Dörfer und einzelnen Gehöfte in der unmittelbaren Nachbarschaft von Andostaan waren verlassen worden, und das offensichtlich in großer Eile. Dafür hatten sich inzwischen mehr und mehr Serephin aus dem Kreis der Stürme durch das Quelor begeben und in der Festung versammelt. In den wenigen Tagen seit der Zerstörung der Temaristadt war die Anzahl der Krieger, die Carn Taar beherbergte, wieder wie zu jenen Zeiten angewachsen, als die Erbauer der Burg sie noch bewohnt hatten. Sie hielten sich in allen Gebäuden der Anlage auf, die zuvor leer gestanden hatten. Einige hatten ihre Lager sogar in den Kellerräumen und den Höhlen aufgeschlagen. Auch die Zimmer der Schwarzen Nadel waren belegt. Auf dem Weg in den höchsten Raum von Carn Taar begegneten Ranár und Alcarasán immer wieder einzelne Serephin, die ihren Anführer in Menschengestalt ehrerbietig grüßten und schnell auf der Wendeltreppe Platz machten.
Schließlich waren sie wieder in dem Spiegelsaal angekommen, jenem Ort, der eigentlich ein winziges Turmzimmer war, durch Ranárs magische Kunst aber auch diesmal den Anschein einer weitläufigen Säulenhalle erweckte.
Die beiden schritten nebeneinander über den grauen Marmorboden. Von der breiten Fensterfront, die den Blick nach Westen über die See freigab, wehte ein kühler Wind hinein, der salzigen Duft mit sich führte. Alcarasán blickte zwischen zwei Säulen hindurch und auf das Blau des wolkenlosen Himmels in der Ferne, dessen Licht sich in den zahllosen Spiegeln des Raumes fing.
»Was ist es, das Ihr mir mitteilen wollt?«, fragte er Ranár.
Der Serephin hielt an. Seine Gestalt wurde von einer der verspiegelten Säulen hinter seinem Rücken verdoppelt.
»Ich weiß, dass du dich seit eurer Ankunft immer wieder gefragt hast, wer ich bin«, sagte er, »denn bisher habe ich es euch nicht verraten. Nicht, weil es ein Geheimnis wäre, sondern weil ich es selbst nicht genau wusste.«
»Ich verstehe nicht ...«, begann Alcarasán, obwohl er eine Ahnung hatte, worauf Ranár hinauswollte.
»An einem Abend im Sommer des letzten Jahres fand ich mich in dem Körper wieder, den du gerade vor dir siehst.« Ranár breitete mit einem Lächeln die Arme aus und deutete eine Verbeugung an. Die Spiegelung hinter ihm tat dasselbe, ein Anblick, den Alcarasán befremdlich
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