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Runlandsaga - Wolfzeit

Runlandsaga - Wolfzeit

Titel: Runlandsaga - Wolfzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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fragte sie unvermittelt. Ihr fiel auf, wie rau sich ihre Stimme wieder anhörte. Als hätte sie stundenlang an Bord ihres Schiffes Befehle gegen den Wind gebrüllt. Aber wahrscheinlich kam es nur daher, dass sie so lange still gewesen war. Beide hatten kaum ein Wort gesprochen.
    Auch jetzt, nachdem sie ihre Frage gestellt hatte, blieb die Frau eine Weile still. »Ist das wichtig?«, fragte sie schließlich.
    Suvare dachte kurz nach und schüttelte dann langsam den Kopf. »Nein, das ist es nicht. – Ich ... wir werden uns nicht noch einmal begegnen, nicht wahr?«
    Die Fremde setzte sich auf und sah Suvare an. Ein Lächeln erhellte ihr ernstes Gesicht mit dem strengen, gespalteten Kinn. »Wenn die Herrin des Netzes es träumt, dann werden wir uns wiedersehen«, sagte sie. »Vielleicht werden wir uns im Licht des Tages so wenig mögen, dass wir kein Wort miteinander wechseln. Vielleicht werden wir uns auf den ersten Blick verstehen, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. Das weiß nur die Träumende.« Sie beugte sich vor und küsste Suvare auf den Mund. »Aber für diese Nacht ist das ohne Bedeutung.«
    Suvare erwiderte den Kuss. Dann griff sie hektisch nach ihren Kleidern, die um sie beide herum verstreut lagen. Im Umsehen bemerkte sie, dass das Pärchen neben ihnen verschwunden war. »Ich muss wieder zurück auf mein Schiff.«
    »Eine Frau als Anführerin«, murmelte die Fremde leise und anerkennend. »Das ist wirklich selten.«
    Erst jetzt erinnerte sich Suvare daran, dass sie der Frau von ihrem Beruf erzählt hatte. Mit dem Gedanken daran kehrten auch die Erlebnisse der letzten Tage wieder an die Oberfläche ihrer Überlegungen zurück. Die Dämmerung würde bald anbrechen, und ein neuer, anstrengender Tag lag vor ihr. Vor Menelons Ratsherren durfte sie sich keine Müdigkeit erlauben. Die Vernunft gebot es, wenigstens noch einige Stunden Schlaf zu bekommen.
    Doch sie fühlte sich kein bisschen übernächtigt. Im Gegenteil. Es war ihr, als ob sie bis zum Hafen hinunter hätte springen und rennen können, wenn das jemand von ihr verlangt hätte.
    Ay, sie war eine Anführerin. Sie war eine gewesen, seit sie zurückdenken konnte. Als kleines Mädchen hatte sie zwei Jungen verprügelt, die sie in den Dreck geschubst hatten, und einem von ihnen gleich mit dem ersten Schlag die Nase gebrochen. Seitdem waren die meisten anderen Mädchen um ihre Freundschaft bemüht gewesen, und die Jungen waren ihr aus dem Weg gegangen. Aber ohne Denures Unterstützung wäre sie niemals ein Khor geworden.
    »Ich hatte Glück«, murmelte sie, während sie ihr Hemd in ihre Hose stopfte, beinahe, als ob sie mit sich selbst reden würde, anstatt auf die letzte Bemerkung der Frau neben ihr zu antworten. »Wenn meine Mutter nicht genügend Geld von ihrem toten Mann geerbt hätte, um Eignerin eines Schiffes zu werden, und wenn sie nicht jemanden gekannt hätte, der bereit war, mir beizubringen, wie man ein Schiff führt, dann wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin. Man hätte mich nicht gelassen.«
    Sie stand auf und trat von dem am Boden liegenden Umhang herunter. Die blonde Frau tat es ihr nach. Sie bückte sich und schüttelte ihn kurz aus, um ihn sich wieder um ihre Schultern zu legen. »Sag so etwas nicht«, entgegnete sie. »Für jemanden, der nicht in deiner Haut steckt, mag dein Leben wie eine Verkettung glücklicher Umstände aussehen. Aber Glück und Geschick sind näher miteinander verwandt, als es den Anschein hat. Ich glaube nicht, dass du die Anführerin auf einem Schiff geworden bist, weil du Glück hattest. Nein, du hattest das Zeug dazu. Und genau darum hattest du niemals die Wahl, etwas anderes zu sein.«
    In der Gegenwart eines anderen Menschen hätte Suvare jetzt abfällig entgegnet, dass jemand, der sie gerade mal ein paar Stunden kannte, sich schlaue Bemerkungen über ihre Art, das Leben zu betrachten, sparen könne. Aber bei dieser Frau wäre ihr eine solche Erwiderung im Hals stecken geblieben.
    Jetzt sah sich die Unbekannte um, als suche sie unter den Musikanten auf dem Platz nach einem bekannten Gesicht. »Ich kann ebenfalls nicht mehr länger bleiben«, sagte sie und breitete ihre Arme aus. »Bringen wir es schnell hinter uns.«
    Sie umarmten sich, länger, als es Suvares Absicht gewesen war. Als sie sich voneinander lösten, trafen sich ihre Blicke, und nach einem kurzen Moment des Zögerns küssten sie sich noch einmal.
    Verflucht, reiß dich zusammen!, schimpfte sich Suvare in Gedanken. Du führst dich

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