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Runterschalten!

Runterschalten!

Titel: Runterschalten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Sponagel
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jetzt ist Peter Dehner selbst von der Umstrukturierung betroffen. Nach zehn Jahren Betriebszugehörigkeit, zuletzt als Vertriebsleiter, hat man die Regionen neu organisiert und sein Gebiet ist in das eines jüngeren Kollegen einbezogen worden. Die Entscheidung ist ihm mitgeteilt worden, er hatte noch seinen Schreibtisch zu räumen und war mit sofortiger Wirkung „freigestellt“. Plötzlich Frischluft, Tageslicht. Eine Abfindung und jede Menge selbst zu gestaltende Zeit sind jetzt da. Vorbei sind: die Kollegen, Kunden, die Arbeit, der Dienstwagen, die tägliche Routine, alles, wofür Dehner bisher gelebt hat. Die Zeit fließt auf einmal träge:
    Beispiel
    â€žIch frage mich jetzt jeden Morgen, wozu soll ich eigentlich aufstehen. Also komme ich erst gegen Mittag aus den Federn. Einen Kaffee, Appetit habe ich eigentlich keinen, und dann mittags durch die Stadt spazieren. Seltsam, selbst der Straßenverkehr hört sich anders an, kratzig. Es sieht auch alles anders aus. Die Bürotürme sind so gradlinig, alles ist geometrisch. Grüppchen von Berufstätigen eilen zu einem schnellen Mittagstisch. Ich bummle, für mich ist eigentlich erst Morgen. Einzelne Handytypen sprechen im Gehen in ihr headset, wie ich, früher. Keiner nimmt Notiz von mir, aber alle sehen es mir an, dass ich keine Arbeit habe …“
    Nur ein Beispiel für das Ereignis, das wir hier Schiffbruch nennen. Schiffbrüche kommen in vielen Formen vor und sind allgegenwärtig: Unfälle, Todesfälle, Krankheiten, nicht erreichte Ziele, verpatzte Prüfungen und Einstellungsgespräche, gescheiterte Beziehungen, Pleiten, geplatzte Träume. Es sind Fälle von individuellem Scheitern, „Verlust-Erfahrungen“. Aber auch Kollektive können Schiffbruch erleiden –Fußballspiele werden verloren, Firmen gehen bankrott, der Kommunismus scheitert, der „Turbo-Kapitalismus“ mündet in eine „globale Krise“. Wir könnten das Phänomen als vertraut verbuchen, aber jedes Mal sind wir zunächst erschrocken, wehrlos, verletzt, denn diese Möglichkeit blenden wir gern aus. Dabei ist es gar nicht mal falsch, das Ausblenden. Denn sonst würden manche von uns vor lauter Angst, Schiffbruch zu erleiden, nie in Bewegung kommen. Doch obwohl das Scheitern in all seinen großen und kleinen Varianten also ganz alltäglich ist, ist es absolut unpopulär. Keiner will etwas damit zu tun haben. Wenn aber einer so richtig auf die Klippen knallt, fehlt es meist nicht an Zuschauern. Dann kommt der „Ätsch-Effekt“. Die Davongekommenen weiden sich an dem Glück, diesmal nicht dazuzugehören – zahllose Nachmittags-Shows im Fernsehen speisen sich aus diesen Gefühlen. Dass viele zuschauen, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Scheitern eine einsame Angelegenheit ist. Erfolge werden gefeiert, Scheitern macht man überwiegend mit sich selbst aus, das ist Privatsache.
    Der Schiffbruch zeigt uns unsere Grenzen. Von einem Moment auf den anderen ist „Halten“ angesagt, innehalten, wo man doch eigentlich weitermachen wollte. Die Zeit, die Welt draußen, der eigene Körper, die Seele, alles fühlt sich auf einmal anders und fremd an. Man möchte sich schütteln, aufrappeln und wieder zurückfinden ins vertraute Fahrwasser. Aber man sitzt fest, auf einem Trümmerhaufen.
    Was nun? Kommen wir hier mit der Steuerkunst weiter? Ja und nein. Nein, weil wir im Stillstand nicht steuern können – aber es geht ja nicht nur ums Steuern! Ja, weil jetzt Schiffbruch-Kompetenz gefragt ist, ein Teilgebiet der Steuerkunst. Stimmt, ich gebe zu, das Wort klingt verdächtig nach dem Kompetenz-Gedöns im Personalmarketing. Aber diese Fähigkeit werden Sie in keinem Human Resources-Fragebogen über Schlüsselkompetenzen finden. Die Schiffbruch-Kompetenz ist ebenso überlebenswichtig wie geheimnisvoll, kaum einer redet darüber. Wer sie hat, wird vielleicht bewundernd als „Stehaufmännchen“ bezeichnet. Ich meine damit die Fähigkeit, am Scheitern nicht zu scheitern. Oder anders ausgedrückt, die Fähigkeit, vom Stillstand wieder in Bewegung zu kommen.
    Anfang 2009 hat ein amerikanischer Pilot eine spektakuläre Bruchlandung hingelegt: Chesley Sullenberger ist mit einem Airbus 320 im Hudson River bei New York notgewassert. Alle Insassen haben überlebt. Bestimmt war es für Sullenbergers Meisterleistung hilfreich, dass

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