Runterschalten!
Zusammenbruchs bleibt als Standfoto in unseren Gehirnen, der unvermittelt einsetzende Irrsinn ist allgegenwärtig. Eben noch war der grenzenlose, globalisierte âTurbo-Kapitalismusâ sexy, da kommt die globale Finanzkrise und plötzlich ruft man wieder nach staatlicher Fürsorge. Das Selbst als Aktie, die so genannte Ich-AG scheint, gerade ein paar Jahre alt, ausgezählt, es lebe die Familie. Nachhaltigkeit wird gefordert, dabei hatten wir uns gerade an die Ex-und-hopp-Mentalität gewöhnt.
Versteht den permanenten Wechsel überhaupt noch jemand? Oder sind wir alle inzwischen zu einer Schar achselzuckender Einzelgänger geworden, die die gesellschaftliche Entwicklung im Fernsehen als âInfotainmentâ konsumiert, aber nicht mehr mitträgt? Ist das âgelebterâ Wandel oder vielmehr medial vermittelter Wandel, der groÃe Teile der Bevölkerung zu teilnahmslosen Zaungästen macht? Oder beides?
Sicher ist jedenfalls, dass nichts sicher ist. Weder die Renten, noch familiäre oder private Beziehungen, noch der Arbeitsplatz, auch nicht die Religion. Die klassischen Orientierungsgeber sind abhanden gekommen, der moderne Mensch befindet sich auf Dauersuche, nicht nach dem heiligen Gral, sondern nach individueller Erfüllung.
Und damit sind wir bei unserem Thema, denn genau darum geht es beim Runterschalten: Wissen, was man will und es tun. Selbstbestimmt leben und arbeiten, eigene Ziele ansteuern. Der Schlüssel dazu ist eine eigene Urteilskraft. Genau damit kann es unter Echtzeitbedingungen jedoch hapern: Zum Sich-selbst-Kennen scheint kaum Zeit zu sein, und überdies gibt es so viele Schablonen-Leben, denen wir nacheifern können ⦠wozu dann noch etwas Eignes machen?
Schatzsuche â mit Effizienz zum Traumpartner
Der Mensch des 21. Jahrhunderts ist flexibel. Er hält sich dort auf, wo seine Arbeit ist, die Arbeit hat oberste Priorität. Erst an zweiter Stelle kommt die Beziehungsebene â meistens finden die modernen High-tech-Nomaden ihre Partner bei der Arbeit oder im Internet. Du wohnst in Berlin, ich in München, macht nichts. âLiving apart foreverâ lautet das Motto, das gegenwärtige Beziehungsmuster be- und vorschreibt. Wir sind mobil, wir jetten hin und her, Du hast Deine Wohnung, ich hab meine. Die Kosten dafür tragen wir gern, denn so sichern wir unsere âindividuelle Autonomieâ, wie laut Bundesfamilienministerium 86 Prozent der Beziehungspendler sagen. Wir sind ja allzeit verbunden, über die technologische Nabelschnur Email, SMS und Mobiltelefon. Liebesbriefe? In welchem Jahrhundert lebst Du denn? âBin gleich da, Schatzâ säuseln und simsen tausende Reisende täglich übers Handy. Ein digitaler Liebesheld ist absolut einzigartig, ein Schatz eben.
Die Schatz-Suche ist allerdings harte Arbeit, aber was sein muss, muss sein. Wir suchen nicht nur den Traumjob, sondern auch den Traumpartner. Erst der komplettiert unseren Wert. Die Liebe des Lebens muss her, und ein ganzer Dienstleistungsmarkt hat sich auf die vermutete Not der Singles spezialisiert. Die Nachfrage nach Unterstützung in jeglicher Form ist groÃ, der Fachbuchmarkt antwortet darauf mit Titeln wie âFlirtprofi meistert alle fünf Stufenâ, die da lauten: Kennen lernen, Verabreden, Wieder-Verabreden, erster Kuss, Sex. Ein Leistungskurs mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad und wachsender Gratifikation, einfach zu lesen und nachzukochen.
Speed-Dating für einsame Herzen
Für unsere Schatzsucher muss so ein Rezeptkurs vor allem eins: schnell gehen und zum Ziel führen. Wer will schon Zeit verlieren mit ineffizienten Erfahrungen. Auch Partneragenturen haben diesen Markt erschlossen, âSpeed-Datingâ heiÃt die Losung. Wie in einem Bewerbungsverfahren wird ein Profil vom Wunschpartner erstellt, die Agentur trifft eine Vorauswahl. Gottesfügung oder Schicksalsmacht derLiebe? Haken Sie's ab. Hier haben alle eine Ausstechform für ihr Traumpartnerplätzchen. Ein Saal einsamer Herzen âmit vorhersagbar hoher Trefferquoteâ trifft sich gleichzeitig, man hat fünf bis sieben Minuten âZeit zum Kennen lernenâ. Ein Glöckchen beendet das tête-à -tête. Bei Gefallen gibt's eine Verabredung, bei Nicht-Gefallen allerdings keine Geld-Zurück-Garantie. Die Stationen der Liebe werden auf Echtzeitintervalle verkürzt. Sparen wir uns das, wichtig ist, was nachher kommt: echte Gefühle,
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