Runterschalten!
vielleicht. Bei Flirtportalen im Internet kann man sich sogar die erste Phase, den Flirt in seiner analogen Form ersparen. Geflirtet wird digital, und wieder fällt ein unerwünschter Nebeneffekt des Kennenlernens weg: Rot zu werden, rumzustottern, doof zu grinsen â im Netz sind wir alle Supermänner- und Frauen, einander nah, aber nicht greifbar. Sofortvertrauen ersetzt wachsende Strukturen.
Kochen statt Sex
Wie geht die Geschichte unserer Schatzsucher weiter, nachdem sie sich dem Schnell-Auslese-Prozess gestellt haben? Richtig, jetzt ist Stufe fünf dran, der Sex. Viel zu viele Menschen haben übrigens zu wenig Sex, wenn man Studien glauben darf. Unsere Schatzsucher erleben vielleicht eine heiÃe erste Phase, aber dann kommt der Alltag. Und da setzt ein, wovon mir meine Klienten regelmäÃig berichten: der Berufsstress, der sie bis nach Hause begleitet. Jetzt nicht, Schatz, ich muss noch eine Präsentation für morgen durcharbeiten. âBei uns läuft nichts mehrâ, sagte mir ein Klient Anfang 30, der gerade drei Jahre verheiratet war. Er konnte sich an sein âletztes Malâ schon gar nicht mehr erinnern. Bestenfalls kochen er und seine Frau zusammen. Jetzt wissen Sie, warum im Fernsehen Kochsendungen Hochkonjunktur haben. Kochen als Ersatzbefriedigung, die fast alle Sinne anspricht, Schlemmen als orgiastische Freude â aber bringt's das wirklich?
Zurück in die Gegenwart in Echtzeit. Da kommt Sex auf Plakaten und allen sonstigen Informationskanälen vor, aber eben kaum in unserem Leben. Schauen wir doch mal: Wie sieht der Alltag unserer beiden nun fest liierten Glücksritter aus?
Ohne Worte: Beziehungen im Energiespar-Modus
Glaubt man dem, was Paarberater Michael Lukas Moeller in seinem Buch âWie die Liebe anfängtâ berichtet, stellt sich in vielen Paarbeziehungen ein routiniertes âNebeneinanderherâ ein. Das Leistungsprinzip, sagt er, dominiert das Lebendigkeitsprinzip, fördert die sachliche Kürze und führt dazu, das eigene Leben als âNebenkostenâ zu verbuchen. Stummes Nebeneinander spart aber auch Reibereien. Wenig sprechen, vor allem nicht von sich, ist eine Schutzwand gegen weitere energiezehrende Gereiztheiten.
Hatte man vorher bei der Partnersuche Zeit âgespartâ, geht es jetzt ums Energiesparen. Schatz und Schatz beschlieÃen das freilich nicht, sie lassen es geschehen. Sie tun das nicht aus Lieblosigkeit, sondern, vermutet Moeller, weil sie nie lernten, wie es anders geht. Und er meint, die meisten Paare beachteten ihr Beziehungsleben weniger als ihre Topfpflanzen oder Autos. Eine Unterlassung, die zu Beziehungslosigkeit in der Beziehung führe. Dieses hausgemachte Elend nennt Moeller âdesinteressierte Selbstvernachlässigungâ. Ein Paarberater muss das ja so sehen, sagen Sie, zu dem gehen eh nur die, die nicht klar kommen? Jede dritte Ehe wird übrigens geschieden. Und was hat das mit dem Echtzeit-Thema zu tun?
Allerhand. Wir sehen Individuen, die bis in die letzten Räume ihrer Privatheit mit einem Umfeld interagieren, dessen Hauptinhalt âSchnelligkeitâ ist. Schnelligkeit geht eher mit Breite als mit Tiefe einher, das ist bekannt. Wir verfügen also über unglaublich viele Informationen, über Auswahl. Aber die Spielregeln, diese Informationen zu interpretieren und die jeweils richtige auszuwählen, sind irgendwo auf der Strecke geblieben. Was ist für mich wichtig, was nicht? Unsere beiden Schatzis haben keine Ahnung, was sie durch eine andere, aufeinander bezogene Haltung gewinnen könnten. Selbst wenn sie sich mehr Zeit nehmen würden, wüssten sie nicht so recht, worüber sie reden sollten. Sie haben ihren Partner aktiv und zielstrebig ausgewählt, jedoch kaum nach eigenen, sondern überwiegend nach Klischeevorstellungen aus einem kollektiven Traumprinzen-Katalog. Was für die meisten gut ist, wird für mich schon richtig sein. Die Lebensstation âPaarâ ist also erreicht. Was nun?
Als nächste Stufe im kollektiven, multimedial vermittelten Lebensbauplan lauert jetzt das Familienglück. Der TV-Werbeblock für diese Zielgruppe bringt nicht mehr Sekt und Dessous, sondern Grippemittel, SüÃigkeiten und Versicherungen. Familienglück im Alltagstest, sozusagen. Eine amerikanische Studie mit dem Titel âKeine Zeitâ berichtet darüber, wie das im Land der Effizienz-Erfinder aussieht. Wenn Sie Ihre Nerven schonen
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