Runterschalten
bisher von sich preisgegeben haben.
Es gibt aber auch Fälle, in denen der Anlass für die „Zurück-auf-Normal-Reduktion“ vom Unternehmen gewissermaßen selbst geliefert wird, wie der Fall Heike Escher zeigt.
Er zeigt uns, dass an einem bestimmten Punkt im Leben viele betrieblichen Schwerstarbeiter merken, dass sie auch weniger involviert sein können, ohne gleich als „faul“ gebrandmarkt zu werden. Im Gegenteil – eine größere Gelassenheit scheint den Geschäftsabläufen sogar gut zu tun.
Es gibt ein Leben nach der Arbeit
Nachdem sie endlich wieder bei einer 40-Stunden-Woche angekommen war, fragt sich Heike Escher heute, warum sie das nicht früher gemacht hat. Oder, anders formuliert: „Warum habe ich das Ganze eigentlich so ernst genommen?“
Beispiel
Heike Escher, Mitte 40, hat es weit gebracht in ihrem Leben. Eigenständig zu leben war immer ihr Ziel. Die Eltern hatten ihr geraten, eine Ausbildung als Bürokauffrau zu machen. Das reichte ihr nicht. Die anfängliche Ziellosigkeit hatte sich gewandelt, als sie während der Lehre ihre Leidenschaft für Wirtschaftsthemen entdeckte: Betriebswirtin zu werden, Unternehmensprozesse mit zu gestalten, davon träumte sie. Um dieses Ziel zu erreichen, aktivierte sie ihren inneren Steuermann: Parallel zu einem Acht-Stunden-Job in einer Behörde machte sie am Abendgymnasium die Fachhochschulreife nach. Mit Mitte 20 begann sie ein BWL-Studium, das sie als Diplom-Betriebswirtin abschloss.
Von da an ging es bergauf mit ihr – drei Firmenwechsel, enormer Arbeitseinsatz, und sie arbeitet da, wo sie immer hinwollte: als Direktorin im Finanzbereich einer Weltfirma.
Heike Escher hat immer hart gearbeitet, sagt sie, aber besonders in jüngster Zeit. Die Abteilungen waren unterbesetzt, da musste sie selbstmit anpacken, wenn es brannte. Es brannte so oft, dass sie selten vor zehn Uhr abends nach Hause kam. Sie hat in ihrer eigenen Wohnung „biwakiert“, meint sie stirnrunzelnd, sie war zu Gast in den eigenen vier Wänden.
Dann kam eine Umstrukturierung und die erwartete Beförderung blieb aus. Ein plötzlicher Halt. Stagnation kannte Heike Escher bis dahin nicht, es war immer gerade nach oben gegangen. Heike Escher war wütend und verzweifelt. Schlaflose Nächte folgten, in denen sie sich fragte, was sie falsch gemacht hatte.
All die Arbeit – umsonst! Sie war in einer Sackgasse in dieser verdammten Firma gelandet, die nicht zu schätzen wusste, was sie für sie leistete. Sie hatte dieser Firma Lebenszeit gegeben, in einer Phase, wo andere Frauen sich ihren Kindern widmen und vielleicht nebenher etwas verdienen. Diese Arbeit, der Aufbau der Abteilungen, die Prozesse, all das war ihr Baby!
Frauen wie Heike Escher begegnen mir häufig. Sie sind Anwälte, IT-Berater, Marketing-Spezialisten, Finanz-Experten, alle hochqualifiziert und ambitioniert. Die Arbeit ist ihr Leben und sie beweisen sich Tag für Tag in einer harten, männlich dominierten Geschäftswelt. Dass die Tage dabei vergehen, entgeht ihnen. Sie eifern einem männlichen Vorbild nach – mehr noch, sie sind besser als die Männer.
Sie hasten durch ihre Lebenszeit und merken nicht, dass, anders als bei Männern, ihre biologische Uhr tickt. Kinder kriegen kommt erst mal nicht in Frage. Schon eine Beziehung zu haben, erscheint schwierig. Die Energien sind ganz aufs Arbeiten beschränkt.
Die Einsicht, dass die Arbeit doch nicht alles ist, kommt spät für diese Frauen oder gar nicht. Werden irgendwann in den nächsten Jahrzehnten etliche erfolgreiche Single-Frauen an der Schwelle zur Pensionierung einfach sterben, weil ihnen der Lebensinhalt plötzlich fehlt? Karoshi, wie man in Japan den plötzlich einsetzenden Tod nach der Berufstätigkeit nennt, war bisher eher eine Männer-Domäne.
Im Fall von Heike Escher kam die Erkenntnis spät, aber nicht zu spät, um ihr Leben noch in andere Bahnen zu lenken. Nachdem die erste Wut abgeflaut war, stellte sich Ernüchterung ein. Gelohnt hatte sich der ganze Einsatz nicht, fand sie. Sie wollte eine Zwischenbilanz ziehen und sich „neu aufstellen“ im Leben.
Zu meiner Verblüffung hatte meine Klientin schnell neue Energien für diese Aufgabe zur Verfügung. Die Beratung durchlief die bekannten Stadien der Schiffbruch-Bewältigung. Schon bei der ersten Sitzung, beim „Geschichte erzählen“, gelang ihr der Perspektivwechsel, die nicht erfolgte Beförderung als „gar nicht so dramatisch“ einzuordnen. Eigentlich, sagte sie, war ja gar nichts passiert. Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher