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Runterschalten

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Titel: Runterschalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Sponagel
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nämlich ganz Europa, Lateinamerika und die Karibik. Sein Arbeitsplatz und Wohnort war abwechselnd in London und in Berlin. In seiner letzten Position hatte er weltweit den Internetauftritt von XY zu vertreten. Nebenbei hat er sich noch in der Branche engagiert, unter anderem als Vorsitzender des Ausschusses für Vertriebssysteme der in Deutschland tätigen Airlines.
Herr Weirich, woran haben Sie bemerkt, dass es Zeit wird für eine berufliche Kursänderung in Ihrem Leben?
    Da kamen vier Impulse zugleich. Der eine war, dass ich immer mit dem Flugzeug unterwegs war und das Gefühl hatte, dass das Private auf der Strecke blieb. Das andere war so was wie eine Midlife-Crisis. Ich konnte mir das Gefühl zwar nicht erklären, merkte aber genau, dass ein Verschieben der Prioritäten ansteht. Hinzu kam, dass meine Mutter krank wurde und mir so auch die eigene Vergänglichkeit vor Augen gehalten wurde. Der vierte Impuls war, dass ich zum ersten Mal Stress-Symptome wahrgenommen habe. Die konnte ich anfangs gar nicht einordnen, da dachte ich, was ist denn jetzt mit mir los? Diese Signale galt es deutlicher zu erkennen. Dieser Prozess begann so etwa vor zwei Jahren und konkretisierte sich dann.
Wie lange hat die Kursänderung gedauert und welche Schritte waren bis zur Umsetzung notwendig?
    Es hat etwa eineinhalb Jahre gedauert. Zunächst war es ein persönlicher Erkenntnisfindungsprozess. Also zu merken, irgendetwas verändert sich da. Der nächste wichtige Schritt war, dass ich mich ins Thema Downshifting eingelesen habe und im Fernsehen einen Bericht über Beratung dazu gesehen habe. Da beschloss ich, mich darüber zu informieren. Dazu muss der Druck bei mir schon relativ hoch sein. Ich habe mich dann auch informiert und konnte diese Impulse so weit einordnen, dass sich für mich eine Art Storyboard ergab. Und ich konnte dieses Gefühl auch mit einer Erklärung besetzen und erkennen, dass das ein normaler Prozess ist.
    Als Nächstes kam die Frage, welche Optionen habe ich jetzt. Eine Übung war da sehr hilfreich. Ich habe überlegt, was bisher meine Prioritäten waren, welche davon noch Bestand hatten und welche neu hinzugekommen sind. Dann kam der Vergleich mit den Handlungsoptionen. Da sah ich auf einmal, dass die Option, die ich bisher am höchsten gehandelt hatte, nämlich „höher, schneller, weiter“, also der nächste Karriereschritt, die wenigsten eigenen Prioritäten bekam. Zu erkennen, dass die meisten Prioritäten bei den anderen Optionen erfüllt waren, das war für mich ein „Aha-Effekt“.
Wie haben Sie Ihr neues Ziel gefunden? War das ein langgehegter Wunsch?
    Ich habe mich für einen Ausstieg auf Raten entschieden. Als die Umsetzungsphase dann bevor stand, merkte ich, wie ich kalte Füße bekam und wie dieses Prinzip, gut zu funktionieren, auch Suchtpotenzial hat. Dann schlug mir mein Arbeitgeber vor, die Übergangsphase auszudehnen. Da hat das Schicksal ein Stück weit die Regie übernommen. Jetzt arbeite ich Teilzeit, also erst mal für ein dreiviertel Jahr, mit der Option, das jeweils um ein halbes Jahr zu verlängern.
Wie sah die Unterstützung für Ihre Idee aus?
    Ich habe mir Feedback bei Freunden geholt, gemischtes Feedback. Das Umfeld ist gegenüber einem solchen Gedankenprozess nicht immer sehr offen. Von meinem Partner bekam ich große Unterstützung, weil er einfach mitbekommen hat, dass ich die kleinen Dinge im Leben gar nicht mehr wahrnahm. Von den engen Freunden auch. Wobei die mich natürlich als einen sehr karriereorientierten Menschen wahrnahmen und auch ein bisschen ungläubig waren, ob ich das tatsächlich schaffe. Da war auch Skepsis im Spiel – allerdings mehr gegenüber dem Aussteigen als Ganzes als gegenüber dem Ausstieg auf Raten. Auf der Arbeit gab es aber auch viel Verständnis, weil die Kollegen wussten, dass ich das nicht besonders mag, zweimal die Woche zwischen Berlin und London hin und her zu pendeln. Und ich bekam eine sachlich-neutrale Unterstützung durch die Kollegen. Ich erhielt dadurch Gedankenanstöße, könnte aber dennoch meine eigenen Entscheidungen treffen.
Gab es eine finanzielle oder Motivations-Durststrecke?
    Einmal, als eine Reorganisation anstand und ich die nächste Karrierestufe erreicht hätte, kam ich ins Schwanken.
    Ich bekam sozusagen eine Karotte vorgesetzt und hätte nach dem alten Muster zuschnappen können. Aber ich habe nein gesagt. Den Job hat mein Chef jetzt. Jetzt unterstütze ich meinen Chef auf seinem Karriereweg und denke dabei, das hätte

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