Rush of Love - Erlöst: Roman (German Edition)
imstande sein, mir zu verzeihen. Ich würde nie imstande sein, dieses Leben fortzuführen. Mein Anblick würde ihnen nur weitere Schmerzen bereiten. Also verließ ich sie. Damals hasste ich mich. Und das tue ich auch heute noch. Im Grunde bin ich ein schwacher Mensch. Ich weiß, ich hätte bleiben sollen. Nachdem ich von Beccas Krankheit erfahren hatte, fing ich mit dem Trinken an. Eine Welt ohne Becca war für mich unvorstellbar. Aber ich brachte es nicht über mich, meiner Frau gegenüberzutreten, die einst vor Leben nur so sprühte, die ich liebte und immer lieben werde und die nun im Sterben lag. Ich hatte schon meine Tochter beerdigt. Jetzt noch meine Frau zu Grabe tragen, das konnte ich nicht. Weil ich zu schwach war, überließ ich es meinem kleinen Mädchen. Das werde ich mir nie verzeihen.« Endlich sah er mich an.
»Du siehst nichts als einen egoistischen Menschen vor dir, der nur an sich selbst denkt. Du hast recht. Ich verdiene keine Liebe oder Vergebung. Das möchte ich auch gar nicht. Deine Mutter und Nan wollten mich. Beide taten so, als würden sie mich brauchen. Ihnen konnte ich etwas vorspielen. In Wahrheit ist deine Mutter genauso kaputt und verloren wie ich. Vielleicht aus anderen Gründen, aber beide sind wir innerlich leer. Vor drei Monaten dann wollte ich Nan alles gestehen. Ich konnte diese Farce nicht länger mitmachen. Ich wollte nur noch am Grab meiner Frau sitzen und trauern. Doch dann rief Blaire an. Sie brauchte mich, aber ich hatte nichts zu geben. Und so log ich sie an. Ich wusste nicht viel von dem Mann, zu dem du herangewachsen warst, eines aber schon: Du liebtest leidenschaftlich. Für deine Schwester hast du alles getan. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sich Blaire, kaum dass du sie zum ersten Mal gesehen hattest, in dein Herz schleichen würde. Sie hat dasselbe sanfte und freundliche Gemüt wie ihre Mutter. Val ging nach mir. Aber Blaire … sie war ganz meine Becca. Sie gleicht ihr so sehr. Kein Mann kann sich in ihrer Nähe aufhalten und sie nicht lieben. Ich wollte, dass sich jemand um sie kümmert, der stark ist. Und patent. Deshalb habe ich sie zu dir geschickt.« Er wischte sich die restlichen Tränen weg und erhob sich. Ich war sprachlos.
»Werde bloß nicht so wie ich. Lass sie nicht im Stich, wie ich es tat. Man verdient etwas nur, wenn man sich dessen auch als würdig erweist. Tu, was ich nicht tun konnte. Sei ein Mann!« Abe wandte sich um und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
I ch hatte noch nicht lange geschlafen, als das Handy klingelte. Es war mitten in der Nacht, und nur wenige Leute kannten meine Nummer. Mit einem flauen Gefühl im Magen griff ich nach meinem Handy. Es war Rush.
»Hallo?« Fast fürchtete ich mich davor, weshalb er mich anrief.
»Hey, ich bin’s.« Er klang, als hätte er geweint. O Gott … bitte mach, dass Nan nicht tot ist.
»Wie geht es Nan?«, fragte ich und hoffte, dass Gott mein Gebet diesmal erhört hatte.
»Sie ist wach. Noch ein bisschen verwirrt, aber als sie zu Bewusstsein kam, hat sie mich erkannt, und ihr Gedächtnis funktioniert.«
»Oh, Gott sei Dank!« Ich setzte mich aufs Bett und beschloss, das mit dem Beten öfter mal auszuprobieren.
»Es tut mir leid, Blaire. Es tut mir so leid.« Seine Stimme war heiser. Ich hörte den Schmerz aus seinen Worten heraus, und ich brauchte nicht zu fragen, was genau er damit meinte. Das war’s. Er konnte es nur nicht sagen.
»Schon okay. Kümmere dich um Nan. Ich bin wirklich froh, dass es ihr gut geht, Rush, ob du’s glaubst oder nicht, aber ich habe für sie gebetet. Ich wollte, dass sie wieder gesund wird.« Ich wollte, dass er mir glaubte. Auch wenn Nan und ich uns nicht leiden konnten, war sie ihm wichtig.
»Danke«, sagte er. »Ich komme nach Hause. Spätestens morgen Abend bin ich da!«
Ich war mir nicht sicher, ob er mir damit andeuten wollte, dass ich bis dahin verschwunden sein sollte, oder ob er sich persönlich von mir verabschieden wollte. Davonlaufen wäre um so vieles einfacher. Ihm nicht mehr gegenübertreten zu müssen. Am Telefon tat es schon weh genug. Ihm dabei ins Gesicht sehen zu müssen würde schrecklich, aber ich durfte das einfach nicht zu nahe an mich heranlassen. Schließlich musste ich an unser Baby denken. Es ging hier nicht mehr nur um mich.
»Bis dann«, erwiderte ich.
»Ich liebe dich.« Diese Worte zu hören schmerzte mehr als alles andere. Ich wollte glauben, dass er es tat, aber es reichte nicht. Die Liebe, die er vielleicht
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