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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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Hoffnungsrehe aus nördlichen
Gefilden und immer häufiger auch das vegetarische und nichtvegetarische Essen
der Froh-Obst-Läden, die neuerdings überall aus dem Boden schossen. Die
Menschen wollten sich gut fühlen, selbst wenn es dazu kaum einen Grund gab, und
so hatte man die Traurigkeitsfabriken geschlossen und sie in Obliviums
verwandelt, riesige Zentren, in denen man die Zeit verbummelte und zum Tanzen,
Einkaufen, Angeben und Vergessen ging. Luka war allerdings nicht in der
Stimmung, sich etwas vormachen zu lassen. Er wollte Antworten.
    «Schluss
mit den Unklarheiten», sagte er mit fester Stimme. «Klare Antworten aufklare
Fragen, bitte.» Nur mit Mühe gelang es ihm, die Beherrschung nicht zu verlieren
und das schreckliche Gefühl zu bezwingen, das seinen ganzen Körper erfasst
hatte. «Erstens», rief er. «Wer hat Sie geschickt? Woher kommen Sie? Wohin ...»
- hier zögerte Luka, da die Frage allzu schrecklich war -, «wenn ... Ihre
Arbeit... erledigt ist, also ... wenn Sie fertig sind ... was nie passieren
wird ... aber sollten Sie je fertig werden ... wohin beabsichtigen Sie dann zu
gehen?»
    «Das waren
bereits drei Fragen, um genau zu sein», erwiderte Nobodaddy, während zu Lukas
entsetztem Erstaunen eine vorbeischlendernde Kuh direkt
durch Nobodaddy hindurchlief, um dann weiter unbeirrt ihrem Weg
zu folgen, «aber wir wollen ja nicht kleinlich sein.» Einen schier endlosen,
stummen Augenblick lang dachte Nobodaddy angestrengt nach. «Bist du», fragte
er schließlich, «mit dem Urknall vertraut, dem Bang?»
    «Dem Big Bang?»,
fragte Luka. «Oder geht es um irgendeinen anderen Bang, von dem ich nichts
weiß?»
    «Es gab
nur einen Bang», antwortete Nobodaddy, «also ist das Adjektiv big überflüssig
und bedeutungslos. Der Bang wäre nur big, nur groß,
wenn es noch einen kleinen oder mittelgroßen, zumindest aber einen größeren
Bang gegeben hätte, mit dem man ihn vergleichen könnte oder von dem er sich
unterscheiden ließe.»
    Luka
wollte keine Zeit mit irgendwelchen Spitzfindigkeiten verlieren, weshalb er
sagte: «Ja, ich habe davon gehört.»
    «Dann
erkläre mir», sagte Nobodaddy, «was war vor dem Bang, dem
Urknall?»
    Nun, das
war eine der enorm wichtigen Fragen, die Luka schon oft versucht hatte zu
beantworten, wenn auch ohne jeden Erfolg. Was hatte überhaupt geknallt?, fragte
er sich. Und wie konnte alles mit einem Knall anfangen, wenn es da zu Beginn
nicht schon etwas anderes gegeben hatte? Wenn er über den Urknall und Ähnliches
nachdachte, bekam er Kopfschmerzen, weshalb er sich auch nicht oft damit
beschäftigte.
    «Ich weiß,
wie die Antwort lauten sollte», sagte er. «Angeblich war da nichts, aber
ehrlich gesagt, kapiere ich das nicht. Außerdem», fuhr er mit aller Strenge
fort, die er aufbringen konnte, «hat das Nichts nichts mit unserem Thema zu
tun.»
    Nobodaddy
wackelte ihm mit dem Zeigefinger vor der Nase herum. «Ganz im Gegenteil, mein
junger Möchtegernmörder», sagte er. «Es hat jede Menge damit zu tun. Verstehst
du nicht? Wenn das gesamte Universum aus dem Nichts heraus explodieren konnte,
um zu sein, warum sollte dann das Gegenteil
nicht auch möglich sein? Dass es implodiert und nicht länger existiert? Dass
alle Menschen, Napoleon Bonaparte, zum Beispiel, oder Akbar der Große oder
Angelina Jolie oder dein Vater, einfach wieder zu nichts werden, sobald sie
... erledigt sind? In einem kleinen - und damit meine ich persönlichen - Unknall.»
    «Unknall?»,
wiederholte Luka verwirrt.
    «Genau»,
sagte Nobodaddy. «Kein Ausdehnen, sondern ein Zusammenschrumpfen.»
    «Wollen
Sie behaupten», sagte Luka und spürte, wie heiße Wut in ihm aufstieg, «dass
mein Vater bald in ein Nichts implodiert? Wollen Sie darauf hinaus?»
    Nobodaddy
gab keine Antwort.
    «Und was
ist dann mit dem Leben nach dem To...», begann Luka, biss sich aber schnell
auf die Zunge, schlug sich an die Stirn und formulierte die Frage neu. «Was ist
mit dem Paradies?»
    Nobodaddy
sagte nichts.
    «Glauben
Sie etwa, dass es das nicht gibt?», verlangte Luka zu wissen. «Denn wenn Sie
das sagen wollen, kenne ich jede Menge Leute in dieser Stadt, die ihnen heftig
widersprechen würden.»
    Kein Wort
von Nobodaddy.
    «Sie sind
ja plötzlich so still», meinte Luka verärgert. «Vielleicht kennen Sie gar nicht
so viele Antworten, wie Sie behaupten. Und vielleicht sind Sie auch gar nicht
so großartig, wie Sie glauben.»
    «Beachte
ihn einfach nicht weiter», sagte Hund der Bär in seltsam

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