Russen kommen
Geld, auch das Haus, Konkurs wahrscheinlich.
Guggenbauer – verliert: eine Menge Geld, aber hat, in die Enge getrieben, geredet.«
Wir starren auf die Kärtchen. Ich nehme noch eines und schreibe:
»Unbekannte an der Weinviertier Grenze – sie haben Dolochow ermordet, weil sie ihn für seinen reichen Bruder hielten, späte Rache an ›dem Russen‹.«
Vesna schüttelt den Kopf. »Und wer soll in diesem Fall Sonja jagen? Ein paar Bauern von der Grenze? Auf dem Markt in Moskau? Wozu?«
»Weil sie den Mord beobachtet hat. Weil sie etwas über den Mord und die Mörder weiß. Außerdem: Wer sagt, dass die Mörder mit denen, die hinter dem Geld her sind, identisch sein müssen?«
Vesna nimmt noch ein Kärtchen:
»Russen-Fehde. Andere Firma musste verhindern, dass Dolochows ›Direktinvest‹ in ihren Markt eindringt.«
»Weiß ich selbst nicht, ob das passt, ob sie überhaupt Immobilien wollten oder nur Geld von den Anlegern«, sagt Vesna dann. »Aber Idee, dass andere als Mörder hinter Geld her sind, hat schon auch Sinn.«
»Sachow und Popp«, überlege ich.
»Oder Welser und Flemming oder andere Investoren«, fügt Vesna hinzu. »Guggenbauer schließe ich eher aus, Verhalten passt nicht.«
»Der graubärtige Universitätsprofessor Welser jagt in Moskau nach Sonja«, spotte ich.
»Nur weil sie Geschäftsleute sind oder Universitätsprofessoren, macht sie das nicht weniger verdächtig als Russen«, beharrt Vesna. »Sie haben am meisten verloren. Bisher. Und sie haben gelogen.«
»Aus Angst, dass ihr ganzes Geld auf Dauer verschwindet. Und weil sie bedroht wurden«, gebe ich zu bedenken.
»Vielleicht.«
»Wenn Sonja tatsächlich in Österreich wäre und uns alles erzählen könnte – darüber müssten Welser und Co eigentlich erleichtert sein. Man weiß dann – hoffentlich wer der Mörder ist. Und sie könnte auch von den Geldflüssen einiges mitbekommen haben.«
Vesna nickt. »Ich habe Idee, was wir machen. Wir werden Welser erzählen, dass Sonja in Österreich ist und endlich über ›Direktinvest‹ auspackt. Sehen wir, ob er sich wirklich freut.«
Ich nicke und starre immer noch auf unsere Kärtchen. »Und ich werde Boris Dolochow anrufen und um Hilfe bitten. Wir haben nicht mehr viel Zeit, nach Redaktionsschluss rede ich mit der Polizei, ich habe es Oskar versprochen.«
»Boris Dolochow.«
»Mira Valensky. Wien.«
»Ich habe Ihre Artikel verfolgt. Gibt es Neues?«
»Ich war in Moskau. Ich habe Sonja Rostowjewa getroffen, die Dolmetscherin von ›Direktinvest‹. Sie weiß etwas über den Mord. Und sie weiß viel über die Geschäfte, die gelaufen sind. Sie will aber nur in Wien reden. Sie hat Angst. Sie ist untergetaucht.«
»Ich habe gehört, dass sie verschwunden ist.«
»Sie haben sie gesucht?«
»Ich bin Geschäftsmann, dafür habe ich keine Zeit.«
»Bringen Sie Sonja aus Moskau nach Wien. Bitte. Dann kann ich den Fall klären.« Hoffentlich habe ich recht.
Stille. Dann Dolochow: »Ich brauche einen Anhaltspunkt.«
Ich hole Luft und gebe Dolochow Sonjas E-Mail-Adresse. Mehr habe ich selbst nicht. Und ich gebe ihm die Adresse von Oskars Wohnung.
»Sie hören von mir«, sagt Dolochow und legt auf.
Ich kann nur hoffen, keinen gewaltigen Fehler gemacht zu haben.
[ 11 ]
I ch bin endlich wieder ausgeschlafen. Ich habe keine Sekunde von Russen geträumt. Oskar neben mir, er hat die bösen Träume ferngehalten. Ich fahre in die Redaktion und bitte den Chefredakteur, mir Platz zu reservieren. Morgen ist Redaktionsschluss. Ich will nicht über den betrogenen Guggenbauer schreiben, er tut mir leid. Natürlich weiß ich auch darüber hinaus einiges. Die Sache mit dem verschwundenen Anwalt. Die Drohungen gegen die Investoren. Die Ost-West-Kreditbank, die auch in den Verträgen vorkommt. Sachow, der einige Jahre bei Boris Dolochow im Management war. Ich hätte ihn danach fragen sollen. Nein, bei Dolochow ist es besser, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren. Ob er Sonja nach Wien bringt? Wann? Ob wir sie ihm ausgeliefert haben? Habe ich übereilt gehandelt, nur weil ich meine Reportage abliefern muss? Hab ich Sonjas Leben aufs Spiel gesetzt, nur weil ich mich mit einer guten Story am »Blatt« rächen will?
Klaus Feldner sieht mich aufmerksam an. »Du weißt mehr, als du erzählst.«
»Ja«, sage ich schlicht.
Vesna und ich wollen Professor Welser nach einer Vorlesung in deutscher Rechtsgeschichte abpassen. Wir schleichen uns in den Hörsaal, ich konnte Vesna nicht daran hindern.
Weitere Kostenlose Bücher