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Russendisko

Titel: Russendisko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer,Wladimir
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Speisekarte. Bei der Eintagereise erhöht sich die Geschwindigkeit enorm. Vom Europa-Center rennt der
    Russe zum KaDeWe, um dort die Tiefseekrabben zu kosten. Das KaDeWe wird als »herrlich« und »besonders preiswert« eingestuft. Danach fährt er zum Brandenburger Tor, das als »herrlicher Rest der Berliner Mauer« bezeichnet wird. Auch im Ostteil der Stadt sollte man eine Kleinigkeit zu sich nehmen. Die »deutschen Steaks«, wie die Russen die Bockwürste nennen, sind nämlich auch im Osten »herrlich« und schmecken »hervorragend«. Obwohl der Wein nicht mehr »so lieblich ist wie vor der Wende, die nun wirklich schon sehr lange her ist«. Danach geht es weiter zum Reichstag, wo der Russe seine ganz persönliche Flagge hissen kann - was immer der Autor damit gemeint haben mag.
    Nun sollte Sascha sich aber etwas zum Potsdamer Platz einfallen lassen. Den ganzen Abend saßen wir bei uns in der Küche. Seltsam. Uns fiel zum Potsdamer Platz gar nichts ein. »Ein Stück herrliche Zukunft im Herzen der Altstadt«?, bot ich verzweifelt an. Als ich das letzte Mal dort war, wurde ich innerhalb einer halben Stunde dreimal von Sicherheitsbeamten angesprochen. Beim ersten Mal war mein Schnürsenkel lose, und ich hatte mich hingekniet, um ihn festzubinden. Im nächsten Augenblick stand ein Beamter vor mir: »Was ist los?« »Vielen Dank, es ist alles in Ordnung«, antwortete ich und lief weiter. Auf der Suche nach einer Toilette betrat ich einen dieser herrlichen Wohn- und Erholungsblocks, die dort überall rumstehen. Sofort kam ein weiterer Beamter: »Was gibt's?« »Alles paletti«, sagte ich und machte mich davon. »Besuchen Sie den Potsdamer Platz, das Reich der Reichen. Hier in den Bars und Casinos können Sie schnell und ohne großen Aufwand Ihr schwer verdientes Geld loswerden.« Das ließen wir dann stehen. Es war spät geworden. Wir gingen hinaus und tauchten in die Tiefe des Prenzlauer Bergs ein, um etwas zu trinken.
    Die neuen Jobs
    Das Jahrtausend ist um. Ein guter Grund für einen Neuanfang, die gesamte Menschheit sehnt sich nach Veränderung. Viele unserer Bekannten begeben sich bereits jetzt auf die Suche nach einer neuen Wohnung, nach neuen Freunden, neuen Jobs. Der motz- Verkäufer Martin hat schon eine richtige Karriere gemacht. Nachdem er monatelang die Fahrgäste in der U- Bahn-Linie 2 genervt hat mit seinem »Guten Tag, ich bin der Martin, ich verkaufe die Obdachlosenzeitung, eine Mark geht an mich, ich wünsche Ihnen eine angenehme Weiterfahrt«, erschien er dort neulich überraschend als neuer Mensch: »Guten Tag, ich bin der Martin, Fahrausweiskontrolle, ihren Fahrschein bitte.«
    Unsere Freundin Lena, die mit ihrem Job als Aerobiclehrerin total unzufrieden war, machte eine Umschulung zur Grafikdesignerin. Nachdem sie fleißig zahllose Bewerbungen geschrieben hatte, meldete sich eine Firma und bestellte Lena zu einem Vorstellungsgespräch. Sie bereitete sich gründlich darauf vor, unter anderen, indem sie in einem KosmetikFachgeschäft neue amerikanische Augenwimpern aus Nerzhaaren in Extralänge erwarb und dazu einen speziellen extra starken Klebstoff, der verhindert, dass die Wimpern beim Zwinkern und Laufen runterkrachen. Bei dem Gespräch brachte Lena die Dinger heftig in Bewegung, sie schwangen hoch und runter, aber alles umsonst. Der Manager auf der anderen Seite des Tisches schien blind und gefühllos zu sein. Auf der Kaffeetasse in seiner Hand stand »Alles Käse«. Er versprach Lena vage, sie irgendwann anzurufen. Nach dem Gespräch bekam Lena eine Panikattacke: Sie konnte ihre Augen nicht mehr richtig öffnen. Die extralangen amerikanischen Nerzwimpern hatten sich ineinander verknotet,
    und Lena war praktisch halb blind. Zu Hause stellte sie fest, dass sie kein Lösungsmittel für den Kleber besaß. Aber es kam noch schlimmer: Für den extra starken Klebstoff, mit dem die extra langen Wimpern befestigt waren, brauchte man ein extra kräftiges Lösungsmittel, das es nur im KaDeWe gibt. Wie ein Waldgeist mit verklebten Augen kam Lena zu uns. Sie war völlig fertig. Ich musste dann für sie ins KaDeWe fahren, um das Heilmittel zu besorgen. Nun hat sie wieder freie Sicht, aber der Typ von der Computerfirma hat sich bisher noch nicht gemeldet.
    Ich hatte neulich auch einen interessanten Job: »Wir suchen einen russischen Sprecher, der uns zehn Wörter auf Russisch sagen kann, dafür gibt es DM 100,-.« Die männliche Stimme am Telefon klang sehr seriös.
    Was sind das wohl für Wörter,

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