Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Russendisko

Titel: Russendisko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer,Wladimir
Vom Netzwerk:
er sich dabei gedacht habe, als er ihr die Rolle des Teufels anbot. Der Regisseur meinte, dass es ihm dabei um bestimmte Charaktereigenschaften der Frau gegangen sei. »Merkwürdig«, sagte die Schauspielerin, »seit fünf Jahren lebe ich in Deutschland, drei Theaterinszenierungen habe ich bereits mitgemacht, und jedes Mal musste ich den Teufel spielen.« »Beruhige dich, Marie-Helene«, sagte der Regisseur, streichelte ihr über den großen Hintern und lächelte milde, »das hat absolut nichts damit zu tun, dass du zufällig schwarz bist.«
    Die Russendisko
    Ein umfassender Augenzeugenbericht des Initiators
    Am 6. November fand in der Tacheles-Kneipe Zapata erstmals ein Tanzabend mit russischen Hits statt, unter dem Titel »Wildes Tanzen in den Jahrestag der großen OktoberRevolution«. Dank der Werbung von »Radio MultiKulti« stieß die »Russendisko« auf allgemeine Begeisterung beim zahlreich erschienenen Publikum.
    Das Zapata war gerammelt voll. Nach den Berechnungen der Frau des Initiators, die an der Kasse stand, waren insgesamt 300 zahlende Besucher gekommen. Der Eintrittspreis betrug DM 7,- und wurde auch von der Frau des Initiators mit aller Härte von jedem Besucher verlangt. Leider zeigten sich allzu viele Russen auf diesem Gebiet unkooperativ, sie wollten umsonst wild tanzen, konnten aber nicht alle gleich gut argumentieren. So wurden dann Eintrittsgelder zwischen DM 4,- und 7,- verlangt, je nach Aussehen und Hartnäckigkeit. Das Publikum war jung und international. Mit dabei war unter anderem ein spanisches Fernsehteam, das sich wahrscheinlich in der Oranienburger Straße verlaufen hatte und dann überraschenderweise im Tacheles auftauchte. Auch eine Gruppe ehemaliger japanischer Touristen, die seit über einem halben Jahr im Tacheles als verschollen gegolten hatten, tauchte plötzlich wieder auf. Die Lokalredakteurin der Berliner Zeitung fand das alles sehr aufregend und behauptete, nur die Russen könnten so toll feiern. Dennoch fühlte sie sich schon bald recht kränklich und verlangte immer wieder nach Heilgetränken wie Kamillen- oder Pfefferminz-Tee, die jedoch im Cafe Zapata nicht ausgeschenkt werden. Trotz der großen Anzahl zahlender Gäste war der Geschäftsführer des Zapata von den Russen im Großen und
    Ganzen enttäuscht, weil sie nicht so viel tranken, wie er gehofft hatte. Der Umsatz an der Bar ließ zu wünschen übrig, und die fünf Kisten von dem merkwürdigen Getränk »PuschkinLeicht«, das er seit über einem Jahr auf Lager hatte und nun endlich loswerden wollte, verkauften sich nicht gut. Da die Mehrzahl der Gäste dennoch ziemlich schnell betrunken war, vermutete der Geschäftsführer, dass viele Russen nach alter Tradition ihre Getränke selbst mitgebracht hatten, und damit hatte er wohl gar nicht so Unrecht.
    Die Veranstalter versuchten zwischendurch immer wieder, den tanzenden Massen den Sinn und die Bedeutung der OktoberRevolution zu vermitteln und daneben die Werte des Internationalismus sowie der Völkerverständigung durchzusetzen, beispielsweise in den Ansagen zum so genannten »Weißen Tanz«, bei dem die Damen die Kavaliere auffordern. Dabei fanden viele allein stehende Russinnen ihr Schicksal, indem sie neue Freunde und Partner trafen, oder interessante Menschen kennen lernten. So gelang es der Redakteurin der russischen Redaktion von »Multi-Kulti« nach vier Stunden wilden Tanzens, einen kräftig gebauten, circa 1,90 großen Mann mit Halbglatze anzubaggern, der sich als Pro-Sieben-Manager vorstellte. Bei dem Versuch, ihn nach Hause abzuschleppen, löste sich der Mann jedoch in Luft auf. Die Redakteurin verunglimpfte daraufhin den Sender, weil dies schon der dritte Pro-Sieben-Manager war, den sie innerhalb eines Jahres kennen gelernt hatte und der dann plötzlich verschwunden war. Eine andere Frau hat einen jungen Filmemacher aus Potsdam kennen gelernt, und der ruft immer noch jeden Tag bei ihr an.
    Selbst nach sechs Stunden wilden Tanzens wollte noch keiner gehen, aber das Diskjockey-Team war völlig erschöpft und stellte um halb fünf die Musik ab. Aufgrund des Erfolgs wollen die Veranstalter aber demnächst einen weiteren Disko-Abend organisieren: »Russendisko - Wildes Tanzen in die Heilige
    Nacht«. Dazu lädt Sie alle herzlich ein: Ihr Initiator
    Das Frauenfr ü hlingsfest
    Der Frauenclub, eine der aktivsten Abteilungen der jüdischen Gemeinde in Potsdam, richtete neulich angesichts der steigenden Temperaturen ein großes Frühlingsfest aus. Als passender Ort

Weitere Kostenlose Bücher