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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Katalina. Zum Beispiel einen Onkel Alex, für den man ein bißchen geschwärmt hat, bevor man entdecken mußte, daß er eine andere liebt. Ehefrauen zählen ja nicht für Mädchen dieses Alters.
    »Sind alle Männer so?«
    »Nein«, sagte Katalina behutsam.
    Noa preßte die Lippen zusammen und nestelte an ihrem Zopf. Schließlich versuchte sie ein mädchenhaftes Grinsen. »Sie fragen mich gar nicht, warum ich nicht in der Schule bin.«
    »Muß ich das wissen?«
    »Und ob ich nichts Besseres zu tun hätte als hier herumzustehen.« Sie verzog das Gesicht.
    »Wie käme ich dazu?« Katalina hätte fast gelacht. Man meinte, die Stimme Almas zu hören, mit dem üblichen fürsorglichen Nörgeln, das Mütter so draufhaben.
    Noa legte den Kopf auf die Seite und inspizierte sie. »Können Tierärztinnen auch –?«
    Katalina stemmte die Fäuste in die Seite. »Bullen kastrieren?« fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Das wollten alle wissen.
    Noa errötete und kicherte.
    »Kälbchen aus dem Mutterleib ziehen? Pferden das Gebiß reinigen? Goldhamstern einen Bypass legen?«
    Noa lachte. »Könnten Sie Mamas Pfauen bitte das Schreien abgewöhnen?« Sie streckte Katalina die Hand hin, murmelte kleinmädchenhaft »Bis bald!« und war verschwunden.
     
    »Sie sind die neue Tierärztin?« Der Apotheker ließ den Blick zu ihrem Hals und tiefer gleiten. Katalina zog den Reißverschluß der Jacke höher. Der Blick des Mannes im weißen Kittel ging über die in Horn gefaßte Lesebrille hinweg ins Unbestimmte. »Das nenn’ ich mutig.«
    »Warum?« Ihre Finger spielten mit der Tube Wundheilcreme, die er ihr auf den Tresen gelegt hatte.
    »Ich meine – daß Sie oben im Schloß wohnen. Bei diesen … Leuten.«
    »Er ist Rechtsanwalt, nicht?« fragte sie unschuldig.
    »Eben. Was will wohl so ein Mann mit einer verfallenden Ruine?«
    Genau das hatte sie sich auch gefragt auf dem Weg hinunter ins Städtchen. Es war schon wieder kalt und ungemütlich draußen, und Blanckenburg selbst wirkte an diesem Vormittag wie ausgestorben. Was um alles in der Welt zog Städter wie die drei Schwestern und ihre Männer in diese Einöde?
    »Sie wollen doch nicht etwa die Praxis ins Schloß verlegen? Für die alten Leutchen ist das nichts.« Die etwa fünfzig Jahre alte Frau, deren Haarfarbe nicht ganz zum Rot ihres Mantels paßte, hatte nach Katalina die Apotheke betreten und sah sie neugierig an.
    Natürlich nicht. Keine kurzatmige Rentnerin würde sich mit ihrem herzkranken Dackel hinauf zum Schloß schleppen. Und kein Katzenbesitzer würde sein Tier in einer Ruine abgeben. »Bis die Praxis von Dr. Gotsky renoviert ist, mache ich Hausbesuche.«
    Die Rothaarige nickte und reichte ihr die Hand. »Klara Buddensen«, sagte sie. »Pastor.«
    »Sie ist in Wirklichkeit eine Brockenhexe.« Der Apotheker feixte.
    »Freut mich«, sagte Katalina. »Die Frankens – ich meine: ist es denn bekannt, was die mit dem Schloß vorhaben?«
    »Die? Der Anwalt und diese Dame mit der extravaganten Brille?«
    »Sophie Franken ist Kunsthistorikerin, Walter.«
    »Die grüßen einen auf der Straße noch nicht einmal, wenn man direkt vor ihnen steht!«
    »Man hätte das Schloß schon vor Jahren der Familie zurückgeben müssen. Die hätte sich wahrscheinlich noch am ehesten gekümmert um ihren alten Stammsitz«, sagte die Pfarrerin bestimmt.
    »Die Gräflichen?« Jetzt legte der Mann im weißen Kittel tiefe Verachtung in seine Stimme. »Die wurden zu Recht enteignet. Die wollen wir nicht wiederhaben.«
    »Lieber den alten Kasten da oben verfallen lassen, ja? Oder glaubst du im Ernst, in den öffentlichen Kassen ist noch Geld für die Erhaltung von Baudenkmälern?«
    Die beiden schienen ein eingespieltes Team zu sein. Katalina holte Luft. »Und die neuen Besitzer?«
    »Die haben das Schloß wahrscheinlich nachgeschmissen gekriegt. Damit sie was draus machen. Aber passieren tut wieder rein gar nichts.« Der Apotheker hatte sich auf den Tresen gestützt und schien sich auf eine längere Debatte einzustellen.
    Die Pfarrerin seufzte. »Man erfährt ja nichts. Das schlimmste wäre –« Sie blickte ins Leere.
    Eine Sekte? fragte sich Katalina. Ein Internat? Ein Vergnügungspark?
    »Wissen Sie«, sagte die Buddensen leise. »Das Schloß hat Geschichte. Man sollte sorgsam damit umgehen.«
    »Ach was.« Der Mann im weißen Kittel richtete sich abrupt auf und hielt den Scanner über die Tube. »Geld regiert die Welt. Da kannst du nicht gegen anstinken.«
    Katalina holte ihr Portemonnaie

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