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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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hervor.
    »Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen«, sagte die Pfarrerin.
    Katalina lächelte zurück. »Rufen Sie an, wenn Ihr Wellensittich mal nicht mehr singt.«
    Klara Buddensen zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Ich habe keine Schoßtiere zu Hause. Noch nicht einmal einen Mann.« Sie zögerte einen Moment. »Aber ich gebe Ihre Handynummer gerne weiter.«
    »Ich auch. Ich mache ein bißchen Reklame für Sie«, sagte der Apotheker gönnerhaft und ließ den Blick wieder halsabwärts wandern.
    Katalina verabschiedete sich, ein wenig hastiger, als höflich gewesen wäre.
    Wieviel die drei Schwestern und ihre Männer für die Schloßruine wohl hatten bezahlen müssen? Egal – sie würden Millionen in die Erhaltung stecken müssen. Millionen, die offenbar keiner von ihnen besaß, wenn sie die Tischgespräche im Traiteurshaus richtig deutete. Warum nur ließen sie sich auf ein solches Abenteuer ein? Zumal hier, in diesem Niemandsland, im ehemaligen Sperrgebiet zwischen Ost und West?
    Katalina schlenderte die leere Fußgängerstraße entlang. Sie würde alles Nötige erfahren, auch ohne danach fragen zu müssen. Geheimnisse waren dazu da, den Menschen entlockt zu werden. Sie war darin mindestens so gut wie in der Diagnose neurotischer Hundebesitzer.
    Die verwinkelte Altstadt unterhalb des Schlosses wirkte nur auf den ersten Blick malerisch. Man hatte in den schmalen Gäßchen das Kopfsteinpflaster erneuert. Viele Fachwerkfassaden waren liebevoll restauriert, die kleine Buchhandlung, der Teeladen, eine Boutique für Damenkleidung, die Drogerie und der Gemüseladen logierten hinter altertümlich aufgemachten Ladenfronten und unter phantasievollen Schildern. Aber gleich nebenan waren die Fenster der Ladenlokale verdreckt, vergilbten die Zettel mit der Aufschrift »Zu vermieten«. Und ein paar Häuser weiter wurde ein Fachwerkhaus von mächtigen Balken am Einstürzen gehindert. Blanckenburg war weit davon entfernt, eine Fremdenverkehrsattraktion zu sein. Und das war wohl das einzige, wovon man sich im Osten Deutschlands noch etwas versprach.
    Beim Metzger, beim Gemüsehändler, im kleinen Lebensmittelladen empfing man sie freundlich. Auch hier schien man von den neuen Besitzern des Schlosses wenig zu halten und gar nichts zu erwarten. Der Metzger wollte die DDR zurück, der Gemüsehändler die Gräflichen, und nur im Lebensmittelladen zeigte man sich interessiert an Alex Kemper und seiner offenbar illustren Anwaltskarriere.
    »Hat er wirklich diesen Millionenbetrüger verteidigt? Und den Menschenfresser?«
    Katalina wußte es nicht, und man entließ sie leicht enttäuscht.
    Auch beim Bäcker Weber war sie die einzige Kundin. Eine rotbackige Frau mittleren Alters stellte sich als Elisabeth Weber vor und fragte Katalina gründlich aus. Nach einer Weile gesellte sich eine ältere Frau hinzu, »meine Mutti«, sagte die Weber. Die Ältere hatte bewegliche braune Augen in einem kindlich wirkenden, fast faltenlosen Gesicht. Warum war Katalina nicht verheiratet, warum hatte sie keine Kinder? Ob sie schon länger in Deutschland wohne, und woher sie käme?
    »Aus Glogovac«, hörte sie sich sagen. Und dann, als ob das etwas erkläre, das die beiden Frauen verstünden: »Aus Bosnien. Aus Schutzberg.«
    Die alte Frau Weber, deren Hände unablässig mit ihrer blaugepaspelten weißen Schürze beschäftigt waren, erstarrte. »Aus Schutzberg!« sagte sie atemlos.
    »Reg dich nicht auf, Mutti.« Elisabeth Weber sah Katalina an und schüttelte den Kopf, als ob man Nachsicht haben müsse mit einem starrköpfigen Kind.
    »Dann kennen Sie die Sommers? Die Frau Eisenweis?« Die alte Dame lächelte, fast entrückt.
    »Mutti, Frau Cavic kann die Leutchen gar nicht kennen. Die sind doch schon lange tot.«
    Katalina wußte ein paar Atemzüge lang nicht, was sie sagen sollte. Als sie 1982 aus Glogovac flüchtete, gab es dort keine Deutschen, es hatte seit dem Krieg dort keine Deutschen mehr gegeben. Auch viele der serbischen Familien wohnten noch nicht lange da, weshalb sie es nie bereut hatte, weggegangen zu sein. Schlimm war das nur für die Großeltern gewesen. Und für Gavro begann die Katastrophe erst, als sie zurückkehrte – in der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, in den blutigen Jahren, als ein Mensch mit der falschen Herkunft vogelfrei war. Was ihr passiert war, war längst nicht so schlimm wie das, was sie ihm angetan hatten.
    »Sie haben uns verjagt«, hörte sie die alte Bäckersfrau klagen, als sie ging.
    Wie viele andere

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