Russisch Blut
Lebensgefährten seiner Geliebten zu beschwichtigen? Gundson wechselte das Standbein, zischte ihm etwas zu und ging.
Es tröstete sie mit einem Mal, daß es in ihrer Vergangenheit nichts gab, das lockte. Und daß ihre Bedürfnisse beschränkt waren. Daß sie nichts zu verlieren hatte. Daß sie frei war von Wünschen.
Nicht ganz, dachte sie. Frische Luft wäre jetzt schön. Ein Glas Wein, nicht dieses saure Prickelwasser. Und früh zu Bett. Freundlicherweise hatte auch Zeus beschlossen, daß ihn die Party langweilte. Er richtete sich auf, gähnte, schüttelte sich, kam auf sie zugetrabt und ließ sich die Ohren kraulen. Als sie wieder aufschaute, sah sie, wie Noa ihrer Mutter das Tablett mit den leeren Gläsern in die Hand drückte und auf Mark zustiefelte. Die Blonde versuchte zu lächeln, aber Noa drehte ihr den Rücken zu. Und nach einer Weile begann Mark, ihr zuzuhören.
Auf dem Weg nach draußen hörte sie Noa mit großer Geste erzählen. Vom Geheimgang, na klar. Von der Krypta. Und daß man nur den Grafen fragen müsse. So, wie Mark sie ansah, hatte Noa die richtige Strategie gewählt.
Katalina atmete tief durch, als sie endlich draußen stand in der frischen Luft. Ihr Bedarf an Menschen, Gefühlen, Sensationen war für heute gedeckt.
2
Es war ein schwacher Laut, aber er kam aus tiefster Hundekehle. Katalina war sofort hellwach. Zeus, der es sich verbotenerweise im Bett zu ihren Füßen bequem gemacht hatte, richtete sich auf und sah konzentriert zum Fenster hinüber. Sie horchte in die Nacht. Jemand rief ihren Namen.
Mit nackten Füßen lief sie die Treppe hinunter. Alma stand vor der Haustür, im Morgenmantel, eine Taschenlampe in der Hand. Fast hätte Katalina sie in den Arm genommen, sie sah so müde und verloren aus.
»Noa ist nicht da.«
Katalina zog die Ältere ins Haus, in die Küche. Zeus beschnupperte sie freundlich.
»Sie ist fünfzehn, Alma. Vielleicht macht sie mit Mark einen Mondscheinspaziergang?«
Sie nahm sich das selbst nicht ab, und Alma sah sie fast mitleidig an. »Katalina! Der Junge ist sieben Jahre älter – und flirtete gestern abend die ganze Zeit mit der Blonden vom Radio!«
Richtig. Aber das Mädchen hatte eine Gegenstrategie entwickelt. Und das konnte bedeuten … Verdammt! Sie waren hoffentlich nicht mitten in der Nacht losgezogen.
Alma schüttelte den Kopf, als Katalina anbot, Kaffee zu kochen. »Sie war völlig aufgekratzt gestern abend. Hat geheimnisvoll getan. Mark würde staunen.«
Also doch. Das raffinierte Biest hatte seinen Köder ausgelegt, und der Fisch mochte nicht bis morgen früh warten. Mark war ein Vollidiot.
»Schatzsuche. Das ist ja mittlerweile das einzige, was uns noch interessiert. Ich kann es nicht mehr hören. Es hat alles vergiftet.«
Alma redete, als hätte sie sich die Worte seit Wochen aufgespart. Alex Kemper war als erster auf die Idee gekommen, den alten Kasten zu kaufen. Alle sollten ihr Scherflein dazu beitragen, auch Alma. Dafür sollte sie ihren Schmuck ausstellen können und so etwas wie die Mrs Danvers von Manderley spielen. Erin wäre die Schloßherrin an Alex’ Seite. Und Sophie …
»Sie sollte Peer Gundson beschwatzen, Geld zu beschaffen, viel Geld. Als Entschädigung für ein lebenslanges Wohnrecht würde der Graf uns verraten, wo man in irgendwelchen finsteren Kellern nach ausgelagerten Gemälden suchen kann. Caravaggio, ausgerechnet.« Alma klang bitter. »Sophie dachte an nichts anderes mehr.«
»Und dann?«
»Dann zog der Alte hier ein und war vom ersten Moment an nicht mehr ansprechbar. Manchmal denke ich, Erin hat nachgeholfen. Sie hat vor ein paar Jahren unseren kranken Vater gepflegt, bis zu seinem letzten Atemzug. Sie kennt sich aus.«
Das paßte. Erin wußte, wie der Stoffwechsel eines alten Mannes funktioniert. Sie hatte dafür gesorgt, daß der Graf den Mund hielt, weil sie hoffte, Sophie würde Alex fallenlassen, wenn er sein Versprechen nicht einlöste. Erin lag nichts an Schätzen. Nur an ihrem Mann.
Womit nur hatte Alex soviel Zuneigung verdient?
»Und? Redet er jetzt?«
»Er hat Noa die abenteuerlichsten Geschichten erzählt – von einem Versteck in der Krypta. Die Sache mit dem Geheimgang hat sie sich wohl dazugereimt.«
Kunststück. Katalina versuchte, sich an die Computersimulation zu erinnern, die Moritz und die Studenten erstellt hatten. Es war deutlich zu erkennen gewesen: Linien verbanden die Krypta mit dem Brunnen – und dem Schloß. Nur logisch also, im Schloß anzufangen mit der Suche nach
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