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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Brust. Ein Bild der Aggression, auch wenn seine Stimme gleichmäßig ruhig blieb. »Die Besitzer von Schloß Blanckenburg haben mir die Erlaubnis erteilt, das Areal, auf dem früher die Schloßkirche stand, mit allen bekannten wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen.«
    »Und was, bitte schön, soll da im Auftrag der Besitzer von Schloß Blanckenburg exhumiert werden?« Der Graf versuchte, spöttisch zu klingen.
    »Welche Leiche hätten Sie denn gern im Keller?« fragte Moritz zurück.
    »Ich weiß, ich wiederhole mich, aber: Was suchen Sie hier, Herr … Wie war doch gleich Ihr Name?«
    »Ich suche das, was mir gehört.«
    Der Graf sagte nichts. Er taxierte den jüngeren Mann. »Und das wäre?« fragte er schließlich.
    Katalina sah von einem zum anderen. Keine Ahnung, was sich hier abspielte. Aber es war immerhin erstaunlich, daß sich ein über Achtzigjähriger und ein mehr als zwanzig Jahre Jüngerer noch benehmen konnten wie Halbstarke beim Kräftemessen.
    »Mein Erbe.« Moritz sah den Älteren an mit einem Ausdruck im Gesicht, der Katalina zutiefst erschreckte. Vielleicht, weil er ihr vertraut vorkam. Er erinnerte sie an den Schmerz eines Kindes, den es, erwachsen geworden, in Wut verwandelt hat.
    »Niemand hat einen Anspruch auf Schloß Blanckenburg außer dem letzten verbliebenen Grafen v. Hartenfels, und der hat keinen Erben, soweit er weiß.« Der Graf lächelte mit zusammengepreßten Lippen.
    »Das Schloß interessiert mich nicht.«
    »So?« Der Alte hielt dem Blick des Jüngeren stand.
    »Mich interessiert nur, was mein Großvater nach Blanc kenburg hat schaffen lassen im Vertrauen darauf, daß man es so hüten und bewahren würde, wie es Gregor Graf v. Hartenfels meiner Mutter versprochen hat, als sie sich mit ihm verlobte.«
    Der Graf trat einen Schritt zurück. Katalina glaubte ihn aufseufzen zu hören.
    »Ich suche die Bilder und die Wandbehänge und die Porzellansammlung von Gut Jechow, die Wilhelm v. Bergen 1944 nach Blanckenburg hat schaffen lassen und die seither verschollen sind.« Moritz’ Stimme war immer leiser geworden. »Ich bin sein Enkel.« Der Graf nickte, langsam, fast müde. Der Kampfgeist war aus seinem Gesicht verschwunden. »Mathilde«, sagte er schließlich. »Irgend etwas in Ihrem Gesicht hat mich an sie erinnert, obwohl Sie weiß der Himmel fremd genug aussehen.«
    Moritz verneigte sich spöttisch. »Es ist ja auch eine Weile her, seit Sie meine Mutter sitzengelassen haben.«
    Der Alte lächelte mit schmalen Lippen. »Wie kommen Sie auf die Idee, daß man jemanden wie Mathilde sitzenlassen könnte?«
    »Und wie nennt man das sonst, wenn man eine Verlobung auflöst, weil –« Bergen stockte. Katalina glaubte plötzlich zu ahnen, was passiert war. Das, was ihr geschehen war, nach der Sache mit Mirko und den anderen. Mit einem Unterschied, einem lebenswichtigen Unterschied.
    »Ich habe die Verlobung nie aufgelöst, glauben Sie mir.«
    »Sie wollten keinen Bankert. Sie wollten kein Kind, dessen Vater nicht bekannt ist.«
    »Sie wollen mir sagen –« Die Stimme des alten Herrn zitterte. »Aber das ist Unsinn. Ich war der Meinung, sie habe einen anderen Mann gefunden und geliebt. Es war nie die Rede davon, daß das Kind … nicht legitim war.«
    Moritz zögerte.
    »Alles wäre leichter zu ertragen gewesen, als sie verloren zu haben, glauben Sie mir.«
    Katalina hätte am liebsten den Kopf geschüttelt. Der Alte irrte sich. Mathilde wäre von einem Traum zu einer Ehefrau geworden. Er hatte es selbst gesagt: das veränderte alles.
    »Wo ist sie?« Er schien nicht daran zu zweifeln, daß sie noch lebte.
    Moritz’ Wut war verebbt. »Ich weiß es nicht. Sie ist gegangen, als ich fünf Jahre alt war.«
    Die beiden Männer schienen kleiner geworden zu sein. Zusammengeschrumpft aufs normalmenschliche Maß. Dennoch tat ihr der Anblick weh. Sie wußte etwas, was beide wahrscheinlich nie begreifen würden.

Teil 4

1
    Alex würdigte Sophie keines Blickes. Sein Arm lag beschützend um Erins schmale Schultern. Die war noch blasser als sonst und sah aus, als ob sie geweint hätte.
    »Niemand ist schuld«, sagte Alex. »Irgend jemand hat das Gatter nicht richtig verschlossen, Daphne ist hindurchspaziert, und dann –«
    »… ist sie in ein Auto spaziert, einfach so.« Sophie klang spitz. »Du vergißt, was die Polizisten gesagt haben. Jemand hat das Tier scharf gemacht.«
    Scharf gemacht? Naja, dachte Katalina. Ein Pferd ist kein Hund.
    »Scharf gemacht auf Leute, die Hüte tragen. Wie ich.«

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