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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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starrte auf den Bildschirm des Fernsehers, der nicht lief. Ich sass eine Ewigkeit. Mit Warten und Nichtstun habe ich Erfahrung, dachte ich. Nein, nicht schon wieder, dachte ich dann. Ich hatte am Mittag so viel gegessen, dass ich keinen Anlass mehr hatte, in die Gaststube zu gehen.
    Ich war nach Leukerbad gefahren, weil Juri mich gerufen hatte, ich wusste nun, dass Juri tot war. Ich verstand seinen Tod nicht. Ein rätselhafter Tod. Aber was konnte ich schon machen? Ich würde morgen zurück nach Bern fahren und mich bei Ricklin erkundigen, ob sie etwas wussten. Ob es einen Zusammenhang zwischen Juris Tod und den Einbrüchen gab. Mehr fiel mir nicht ein.
    Dann würde ich das Geld abgeben. Nur konnte ich schlecht behaupten, ich hätte 99 700 Franken gefunden. Also musste ich morgen dreihundert Franken auftreiben. Ich wusste nur, ehrlich gesagt, nicht wie. Ich spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, das Geld überhaupt zu behalten. Ein verlockender Gedanke. Aber irgendwann würde es einen Prozess gegen Pereira geben, den ich dann voller Angst in den Zeitungen verfolgen würde. Voller Angst, dass das Geld zu Sprache kam. Ich überwand mich, ich tat’s nicht gern, und ich hatte es bisher nur in äussersten Notfällen getan, aber ich schickte meinem Vater eine SMS mit der Frage, ob er mir etwas pumpen könnte.
    Inzwischen sass ich im Finstern, es war Abend geworden. Ich trat ans Fenster, obschon es nur Aussicht auf den Abhang und ein Stück Hinterhof bot.
    Ich erschrak, als ich den Mann sah, der im Hof stand. Trotz der Dämmerung wusste ich sofort, wer er war. Einer der beiden Männer von gestern. Den ganzen Tag über war es mir gelungen, nicht an sie zu denken. Nun aber stand einer da und sah die Fassade hoch. Er schien mich nicht bemerkt zu haben, vermutlich weil ich mich im Finsteren befand. Ganz vorsichtig und langsam zog ich die Vorhänge zu. Dann verliess ich das Zimmer, trat in den Gang und schlich nach vorne. Ich wollte ihn beobachten, aber nicht von meinem Zimmer aus. Da ich noch nie andere Gäste getroffen hatte, versuchte ich es mit dem vordersten Zimmer. Es war offen. Von hier aus hatte ich den besseren Blick auf ihn, und es gab übers Eck ein zweites Fenster, durch das ich auf einen schmalen Abschnitt der Strasse vor dem Haus hinuntersah.
    Ich setzte mich in der Nähe des Fensters so auf die Bettkante, dass er in meinem Blickfeld blieb. Der Mann unten wartete seit Minuten, er hatte sich nur etwas zur Strasse hin bewegt. Er wirkte ruhig. Auch ich wartete, mit klopfendem Herzen, aber erstaunlich gelassen. Mir schien, der Mann beobachte die Fensterfront und die Haustür. Er stand im Nieselregen, und ich sass im Trockenen, wenn auch in einem fremden Zimmer. Es war nicht unbewohnt, wie ich jetzt bemerkte. Über einer Stuhllehne hingen Kleider, viel mehr konnte ich im Finstern nicht erkennen. Der Mann vor dem Haus war jung, keine dreissig Jahre alt, schätzte ich. Er trug Jeans und eine schwarze Sportjacke. Seine blonden Haare waren sehr kurz geschnitten, wie ein Soldat stand er in der Dämmerung, unter der Laterne. Ein deutscher Soldat oder auch ein russischer oder, am wahrscheinlichsten, ein Walliser Skilehrer. Seine Züge konnte ich nicht genau erkennen.
    Nach einiger Zeit fuhr ein grau metallisierter BMW vor. Auf der Beifahrerseite stieg ein Mann aus und ging auf den Eingang der Pension zu, den ich von hier aus nicht sehen konnte. Ich konnte nicht anders als mir mit aufsteigender Panik auszumalen, wie er das Hotel betrat. Wie er an der unbesetzten Rezeption vorbei ging und wie er ungehindert zu meinem Zimmer hochstieg. Wie er dort die Tür öffnete, mich nicht fand. Dann Zimmer um Zimmer. Instinktiv zog ich mich an die Wand zurück. Ich horchte auf die Geräusche im Haus, fühlte die gleiche Angst hochsteigen wie gestern in den Bergen.
    Aber es blieb still im Gang, und auch aus der Gaststube hörte ich nur gleichbleibende murmelnde Stimmen. Da tauchte der Mann wieder auf der Strasse auf, ging zum BMW und sprach mit dem Fahrer. Leise rief er dem anderen Mann, der immer noch unter der Laterne stand, etwas zu, der schlenderte zum Auto hinüber und alle beide machten sich daran, in den BMW einzusteigen. Ich stand nun wieder am Fenster. Als das Licht im Wageninnern anging, erkannte ich den Fahrer. Es war der graumelierte Geschäftsmann, den ich heute Morgen auf der Ortspolizei angetroffen hatte. Derjenige, der sich nach dem Geld erkundigt hatte. Der Wagen wendete und fuhr davon. Die Männer hatten sich etwas

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