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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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Selbstwertgefühl, vielleicht auch aus Sturheit, ich war ungewollt in etwas hineingeraten, nun liess ich mich nicht abwimmeln. Ich wusste, was ich wollte. Und ich war sicher, dass ich es konnte.
    Von nun an würde ich systematisch und professionell vorgehen. Ich begann zu überlegen, was das bedeutete. Ich musste herausfinden, wer der Geschäftsmann war, der über Juris Geld Bescheid wusste und der mit seinem BMW vor der Pension Cordula aufgetaucht war, wer die beiden Typen waren. Ich wollte, wenn ich an heute dachte, ein Auto, um nicht zu Fuss durch die Nacht zu straucheln. Und ich wollte eine Waffe, zu meinem Schutz. Dieser Gedanke beruhigte mich und ich sank benommen und müde langsam ins Heu und schlief ein.

9
    Der kleine, weiss gestrichene, mit einem Spannteppich ausgekleidete Raum war gerade mal ein paar Quadratmeter gross. Pünktlich um acht Uhr morgens stand ich in meinem Büro. Stand, denn was unter anderem fehlte, waren Büromöbel.
    Vor drei Tagen war ich aus Leukerbad zurückgekommen und hatte mich als erstes gründlich in Juris Wohnung umgeschaut. Warum der Einbruch, was hatten sie bei Juri gesucht? Vielleicht, ziemlich sicher sogar, das Geld. Die noch knapp hunderttausend Franken, die ich, gut eingeschweisst in Zipbeutel, in einem leeren Ölkanister in meiner Wohnung versteckt hatte. Von wegen Geld stinkt nicht. Wenn ich später die Beutel herausholte, rochen sie jedes Mal penetrant nach Öl.
    Ich schlief schlecht, nicht nur wegen des Geldes. Mich beunruhigte die Vorstellung, dass jemand noch einmal meine Wohnung durchsuchen könnte. Ich wagte kaum, an meinem Computer Recherchen zu Leukerbad zu machen, geschweige denn schriftliche Notizen zu hinterlassen. Beim ersten Einbruch hatten sie sich meinen Computer angesehen. Deshalb war ich auf die Idee gekommen, das Büro zu mieten, in einem anonymen Hochhaus im Stadtzentrum.
    Mit dem Lift konnte ich diskret in den fünften Stock fahren und mit ein paar Schritten im Büro verschwinden, ohne jemandem über den Weg zu laufen. Dem Vermieter hatte ich erzählt, dass ich eine Rückzugsmöglichkeit brauchte, um meine Dissertation zu beenden. Laut Angaben im Lift befand sich auf diesem Stockwerk neben meinem Büro noch eine Kosmetikfirma, die restlichen Mieter kannte ich nicht. Ich war gestern nur zwei Personen begegnet, und ich hatte festgestellt, dass man sich in diesem Haus nicht grüsste. Das war mir nur recht.
    Der Raum war winzig, verfügte aber immerhin über eine eigene kleine Toilette. Ich holte mir am Lavabo heisses Wasser und löste etwas Nescafé darin auf. Sehr bescheiden, ziemlich widerlich, aber trotzdem, eine Tasse Kaffee in meinem eigenen Büro. Der Laptop stand vorläufig auf einer Kartonschachtel. An einer vom Fenster zur Toilettentür gespannten Schnur hingen verschiedene Kleidungsstücke. Aus dem Bedürfnis heraus, mich zu tarnen, hatte ich mir gestern Kleider gekauft, Dinge, die ich sonst nie trug: Ein elegantes Deux-Pièces, einen dunklen, geschäftsmässig wirkenden Hosenanzug, einen schwarzen Jogginganzug mit robusten Turnschuhen, eine Mütze, die einen grossen Teil des Gesichts verdeckte. Und ich hatte versucht, mir eine Waffe zu kaufen, und erfahren, dass das einige Tage dauern würde, bis ich den Waffenerwerbschein hatte. Aber ich kümmerte mich darum, um den Strafregisterauszug und alles Übrige.
    Mir war wirklich ernst mit meinem Vorhaben.
    Das war gestern gewesen und vorgestern. Nun stand ich, in die Enge getrieben vom Ernst meines Vorhabens, in dem kleinen Büro und überlegte, womit ich beginnen sollte.
    Ich setzte mich auf den Boden und studierte, den Rücken an die Wand gelehnt und den Laptop auf den Knien, Webseiten zu Leukerbad. Es war überhaupt nicht schwierig herauszufinden, wer der Geschäftsmann war, den ich auf dem Polizeiposten getroffen und später im Auto vor der Pension gesehen hatte. Der Mann hiess Lothar Perren, war Mitglied des Gemeinderats und früherer Tourismusdirektor. Ausserdem sass er in der Verwaltung des Thermalbades, in dem Juri gestorben war, und in der Geschäftsleitung einer Gesellschaft, die Bergbahnen betrieb. Von Beruf war er Rechtsanwalt und Notar, mit einer Kanzlei in Bern, Advokatur, Notariat und Treuhand. Ein vielbeschäftigter Mann. Eine Luise Perren, vielleicht seine Ehefrau, war Besitzerin einer Baufirma, und Perren hiess auch ein Mitarbeiter der Ortspolizei. Ob es sich um den behäbigen Polizisten handelte, den ich auf dem Posten getroffen hatte, wusste ich nicht. Verwandt oder nicht, man

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