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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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krabbelte verzweifelt an meinem Schlüsselbein entlang und suchte einen Ausgang. Ich empfand eine tiefe Sympathie für sie, ich hoffte für sie, dass sie ihn fand.
    Irgendwann kam der zweite Typ zurück, breitete ratlos die Arme aus und deutete gestikulierend in ein paar Richtungen. Die Männer blieben noch einen Moment lang stehen und kontrollierten wachsam die Gegend. Ich duckte mich noch tiefer, das Gesicht nach unten gesenkt, wie wenn mein Blick den ihren anziehen könnte, dann entfernten sie sich. Ich dankte nachträglich der Verkäuferin im Sportgeschäft, die mir die erdfarbene, hässliche Wanderkleidung verkauft hatte.
    Viel später sah ich die beiden Männer auf der gegenüberliegenden Talseite, sie beobachteten immer noch die Gegend, waren nun aber zügiger unterwegs. Der Rundweg führte von dort aus wieder hinunter ins Dorf. Ich wartete, bis sie verschwunden waren. Dann versteckte ich meine Tasche unter ein paar Tannenzweigen, entnahm ihr nur das Geldcouvert und mein persönliches Portemonnaie mit Ausweisen. Ich beschloss, die Dämmerung abzuwarten. Erst als das Licht schwächer wurde, ging ich auf dem gleichen Weg, den die Männer gewählt hatten und der nicht durch die Schlucht führte, zurück ins Dorf. Am Anfang schlich ich noch stückchenweise vor und hielt mich möglichst abseits vom Spazierweg. Aber je näher ich dem Dorf kam, desto sicherer fühlte ich mich. Ich bezweifelte inzwischen, dass die Männer hinter mir her gewesen waren. Als ich mich der Pension Cordula näherte, war ich sicher, dass mir niemand folgte. Ich war meiner eigenen Panik erlegen. Vielleicht eine Form von schlechtem Gewissen. Wegen des Geldes.
    Ich wollte die Pension am Abend trotzdem nicht mehr verlassen. Ich blieb in meinem Zimmer. Auf dem Boden und auf allen verfügbaren Flächen breitete ich Geldscheine zum Trocknen aus. Sie gemeinsam mit dem Badeanzug in ein feuchtes Tuch zu wickeln, war nicht schlau gewesen. Es handelte sich um hunderttausend Franken, das wusste ich jetzt. Die Summe war so abstrakt, dass sie mich kalt liess, und überraschenderweise schlief ich tief und traumlos. Als ich am Morgen aufstand, um den Vorhang aufzuziehen, musste ich über das Geld laufen, die Scheine blieben an meinen Fusssohlen kleben.

7
    Beim Frühstück in der düsteren Gaststube, wiederum als einziger Gast, traf ich den Entschluss, zur Polizei zu gehen. Ich hatte mich noch einmal mit der Serviceangestellten von vorgestern unterhalten. Juri hatte weder Besuche gehabt, noch war er angerufen worden. Er hatte ein paar Nächte in der Pension geschlafen und war tagsüber unterwegs gewesen. Mehr wusste man nicht über ihn. Ich würde mich bei der Polizei als Juris Freundin vorstellen. Vielleicht konnte ich mit Alexandre Pereira sprechen. Und ich würde das Geld abgeben. Ich hatte die getrockneten Scheine in einen festen, dunklen Plastiksack gefüllt, den mir die Wirtin, diesmal fast freundlich, gegeben hatte. Ich trug ihn in meine Hose gestopft vorne am Bauch.
    Beim Polizeiposten in Leukerbad handelte es sich genaugenommen um zwei Räume im Gemeindehaus. Durch eine Glastür betrat ich den Posten, die beiden Schreibtische hinter der Schranke waren verwaist, und der Raum war leer. Auf der Besucherseite stand ein kleiner runder Tisch mit zwei Korbstühlen, ich setze mich, bereit zu warten. Zwei Männer sprachen im Nebenraum.
    «Vorläufig haben wir ja nicht viel gegen Pereira in der Hand. Er behauptet steif und fest, Salnikow nicht gekannt zu haben. Das heisst, gekannt schon, ein einziges Mal seien sie sich in einer Bar begegnet. Aber er habe nie etwas mit ihm zu tun gehabt. Vielleicht können wir ihm das Gegenteil nachweisen. Vielleicht melden sich ja noch Zeugen, die die beiden zusammen gesehen haben.»
    «Er lügt natürlich. Aber was hat er denn genau ausgesagt? Immerhin hat er doch zugegeben, dass er sich nach Badeschluss mit einem Besucher herumgetrieben hat?»
    Beide Männer sprachen in breitem Walliser Dialekt, ein älterer und ein jüngerer Mann, der jüngere sprach viel schneller und selbstbewusster.
    «Ich kann dir schon sagen, was in seiner Aussage steht.»
    Ich hörte wie eine Schublade aufgezogen und wieder zugestossen wurde, dann das Rascheln von Papier.
    «Bei Badeschluss, das Putzpersonal war schon weg, wollte er die vorgeschriebene Kontrollrunde machen, sagt er.»
    Es war wieder die ältere Stimme, die sprach, und ich stellte mir einen behäbigen, lokalen Polizeibeamten vor, der sonst mit Diebstählen beschäftigt war.
    «Ein

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