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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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Festplatte. Ich schloss sie an den Computer an und öffnete zunächst wahllos ein paar Dateien. Schliesslich gab ich den Befehl, alles zu kopieren, was Tobias unter Dokumente abgespeichert hatte. Tobias Computer teilte mir mit, dass er 59 Minuten dafür benötigen würde. Das war knapp. Aber ich hatte keine Wahl.
    Während die Dateien von Tobias’ Computer auf die Festplatte hinüber flatterten, schlich ich durch die Balkontür hinaus und besah mir von aussen das zerbrochene Garagenfenster. Jetzt im Finstern war kaum etwas zu erkennen. Ich legte den Sonnenschirm so auf den Boden, wie er nach meiner Vorstellung liegen müsste, nachdem ihn ein Windstoss gegen die Scheibe gestossen hatte. Ich stellte den Tisch zurück und untersuchte die Mauer auf Spuren. Zurück im Haus, schob ich in der Garage die Scherben an den Rand, direkt unter das Fenster. Ich wollte nicht, dass jemand heute Abend aus dem Auto stieg und als erstes auf die Scherben zu stehen kam. Wenn möglich, sollten sie die kaputte Scheibe erst in ein paar Tagen entdecken.
    Schliesslich setzte ich mich in Tobias’ Zimmer im Schneidersitz auf den Boden und wartete. Inzwischen war es Viertel nach neun. Der Computer teilte mit, dass er noch 39 Minuten benötigen würde, gemächlich flatterte Datei um Datei hinüber. Ich betete, dass es nicht wirklich so lang ging. Spätestens um zehn vor zehn wollte ich abbrechen.
    Während ich wartete, zerbiss ich mir die Nägel, was mir vor Jahren zum letzten Mal passiert war. Plötzlich hiess es, der Vorgang würde noch 53 Minuten dauern. Es war bald halb zehn. Ich zwang mich, ruhig zu atmen, mit wenig Erfolg. Jetzt doch nur noch 24 Minuten, auf die Zeitangabe war kein Verlass.
    Ich stellte mich neben den Vorhang, konnte aber von hier aus die Strasse nicht erkennen. Wenn Buchers zurückkamen, würde ich es erst merken, wenn ihr Auto vorfuhr. Dann war es zu spät, um zu verschwinden. Inzwischen war es zehn vor zehn, das Warten wurde immer schlimmer. Ungerührt teilte mir der Computer mit, er benötige weitere siebzehn Minuten. Konnte ich den Vorgang abbrechen, ohne die gespeicherten Dateien zu verlieren? Das wusste ich nicht. Voller Anspannung stand ich in der Tür zu Tobias’ Zimmer und horchte nach unten. Als ich ein Auto hörte, geriet ich in Panik. Ich rannte hinunter, aber der Wagen fuhr am Haus vorbei. Um zwölf nach zehn meldete der Computer, der Vorgang sei abgeschlossen. Inzwischen roch das Zimmer mehr nach meinem Schweiss als nach Blumen.
    Hastig riss ich die Kabel aus und nahm die Festplatte an mich. Ich zwang mich dazu, den Computer ordnungsgemäss abzustellen, was mir weitere angstvolle Minuten abverlangte. Endlich rannte ich hinunter ins Erdgeschoss und verliess das Haus durch die Gartentür. Ich zog sie so gut wie möglich hinter mir zu, aber es war mir klar, die Tür blieb offen, was irgendwann auffallen würde. Ausserhalb des Hauses wurde ich ruhiger, obschon mein Herz immer noch laut gegen das Brustbein hämmerte. Im Nachbarhaus brannte jetzt Licht. Ich stieg hinter dem Haus über einen Zaun und schlich durch das angrenzende Feld, jede Menge Fussspuren hinterlassend. Aber ich wollte nicht auf der Strasse gehen und dort Buchers Auto begegnen. Angestrahlt von Scheinwerfern würde Bettina Bucher mich vielleicht erkennen.
    Ich wartete im Schatten der Schreinerei mindestens dreissig Minuten, bis Buchers wirklich kamen. Gestresst, wie ich gewesen war, hatte ich mir auf der Flucht durch das Feld nicht die Zeit genommen, die Schuhe anzuziehen. Nun stand ich in aufgeweichten, lehmigen Socken in meinen Schuhen und schon bald spürte ich meine Füsse nicht mehr vor Kälte. Trotzdem wartete ich.
    Schliesslich fuhren Buchers vorbei, die Eltern vorne, die beiden Töchter hinten. Sie hielten vor ihrem Haus, der Wagen verschwand in der Garage. Ich ging ein paar Schritte zurück. Lichter waren angezündet worden, die breite, hell erleuchtete Fensterfront erlaubte einen Blick in die geräumige Wohndiele. Die Familie entledigte sich gerade mit ruhigen Bewegungen ihrer Mäntel. Bisher hatten sie nichts bemerkt.

18
    Der Computer fuhr langsam hoch und prüfte Tobias’ Festplatte auf Viren, während ich mich wieder einmal auf dem Boden vor der Kartonschachtel um eine erträgliche Position bemühte.
    Die Suche nach AdFin ergab nichts. Gar nichts. Nicht einmal Russland kam vor. «Finanztransaktion» nur in einem völlig unverdächtigen Zusammenhang, in einer Seminararbeit. Ich quälte mich durch einen Haufen von Studienunterlagen,

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