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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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dann durch Dokumente aus dem Erbschaftsamt. Offensichtlich hatte sich Tobias Bucher private Kopien amtlicher Akten gemacht. Ganz korrekt war das von einem angehenden Juristen kaum, aber doch verständlich und banal. Er hatte also ab und zu Arbeit mit nach Hause genommen.
    Ich kam nicht umhin, mir einzugestehen, dass ich enttäuscht war. Nicht schon wieder. Diese Selbstzweifel, ich hatte sie satt. Aber, es blieb dabei, da war nichts. Nicht der geringste Hinweis auf AdFin, nichts, was mir in Bezug auf Juris Tod weitergeholfen hätte. Ilka Kovacs, Agentin under cover, spezialisiert auf das Ausspionieren von Seminararbeiten. Langsam hasste ich dieses Büro. Neu war, dass mich ein schlechtes Gewissen umtrieb. Mehr noch als der Einbruch störte mich, dass ich Bettina Bucher angelogen hatte. Ich hatte mir die Möglichkeit verbaut, ganz normal mit den Leuten zu sprechen. Ausserdem war ich mit dem Einbruch ein idiotisches Risiko eingegangen. Das Einbruchsdezernat kannte ich ja schon, falls ich aufflog. Bei der Vorstellung, dass mich Ricklin zu meinem Einbruch in Konolfingen befragen würde, schämte ich mich.
    Das einzig Erfreuliche war ein Telefon von Lisa Bächler, zu meiner Überraschung wollte sie mich treffen. Die Versicherungspolicen waren harmlos, aber sie wollte sich nochmal über AdFin unterhalten. Wir verabredeten uns für den gleichen Abend.
    Da ich sonst nichts zu tun hatte, beschloss ich, im Erbschaftsamt, das keine fünf Minuten von meinem Büro entfernt in der Schwanengasse lag, vorbeizugehen. Möglich war es ja, dass ein Kollege dort wusste, mit was Tobias sich beschäftigt hatte.
    Ich war erstaunt, als ich bemerkte, dass sich die FINMA , die Finanzmarktaufsicht, im gleichen Gebäude wie das Erbschaftsamt befand. Neben der MROS war doch auch die FINMA für Geldwäscherei zuständig. Lag da der Zusammenhang? Hatte Tobias zufällig etwas gefunden? Einen Aktenkoffer, der im Gang vergessen worden war? Ein Herr in meinem Alter betrat gleichzeitig mit mir den Lift. Während wir mit Blick zur Tür hintereinander standen, betrachtete ich seinen Nacken. Der Mann war zu stark parfümiert. Die Haare, aschblond und dicht, wirkten strohig und waren so lang, dass sie sich am Hemdkragen teilten. Ich entdeckte eine klobige Goldkette am faltigen Hals, ein kleines Wagnis, gut versteckt unter dem hellblauen Hemdkragen des soliden Beamten. Ich vermutete Reste von früheren Hard-Rock-Sympathien. Dazu eine dunkelblaue Hose und, über den Arm gehängt, eine solide, dunkle Regenjacke.
    Wir stiegen im gleichen Stockwerk aus. Der Herr drehte sich zu mir um, lächelte mich aus wässrig-blauen Augen an, die durch die Goldrandbrille stark vergrössert wurden. Sein heller Schnauz gab ihm etwas von einem Hasen oder sollte vielleicht eher das Hasenhafte verdecken. Meine Laune war schlecht, ich brachte wenig Wohlwollen für meine Umwelt auf, der Mann konnte nichts dafür. Mit einem «Bitte» überliess er mir den Vortritt, ich schritt durch seine Duftwolke und ging die paar Schritte bis zum Erbschaftsamt vor ihm her.
    Ich traf auf eine breite Glasfront, hinter der ein Gang lag mit einem Kopiergerät, umringt von Schachteln. Die Tür war verschlossen, ein an der Scheibe befestigter Zettel verwies auf die Öffnungszeiten. Ich begann den Zettel zu lesen, während der Herr aus dem Lift einen Schlüsselbund aus seinem Hosensack holte.
    «Es ist offen. Kommen Sie nur herein», meinte er überraschend nett.
    Das Sekretariat befand sich in einem Eckzimmer, direkt unter der Dachschräge. Dem parfümierten Herrn, offensichtlich ein leitender Mitarbeiter des Amtes, war jetzt die Eile anzumerken. Ich liess ihn an mir vorbei ins Sekretariat und wartete neben der Tür. Zwei Frauen standen mit uns zugewandten Rücken im Raum und sahen sich etwas an, was vor ihnen lag. Der Mann, mit dem ich gekommen war, stellte sich dazu.
    «Haben wir die Kopien für die Testamentseröffnung um zwei Uhr?»
    «Ich bin noch nicht dazugekommen, Herr Bernasconi. Ich lege sie Ihnen ins Sitzungszimmer», antwortete die ältere der beiden Frauen.
    Das Telefon läutete, und während die ältere Frau nach dem Hörer griff, verliess die andere das Sekretariat. Ich stand und wartete.
    Die Dame, die sicher seit Jahren im Amt war, warf mir ab und zu einen Blick zu, während sie telefonierte. Durch die Dachschräge wirkte das Sekretariat klein und überladen, und auch der Gang hinter mir war mit Schachteln überstellt. Der Mitarbeiter namens Bernasconi war inzwischen

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